Litauen: Perfekte Wirtschaftsstruktur
19.12.2014
Wechselkursrisiken und Umtauschkosten sind ab dem 1. Januar 2015 Vergangenheit für den Austausch zwischen Deutschland und Litauen. Das größte baltische Land erhofft sich von der Euro-Einführung eine steigende Handels- und Investitionstätigkeit und hat insbesondere für KMU ein attraktives Investitionsumfeld kreiert, so Justinas Pagirys, Leiter der Abteilung Investitionsförderung der Agentur Invest Lithuania.
Herr Pagirys, welche Chancen und Risiken sehen Sie durch die Euro-Einführung auf die wirtschaftliche Entwicklung Litauens zukommen?
Man spürt bereits den Nutzen der bevorstehenden Euro-Einführung: Für 2015 hat S&P die Kreditwürdigkeit Litauens auf A- erhöht. Dies bedeutet, dass die langfristige Kreditaufnahme in Litauen billiger als je zuvor ist. Ferner zeigt es sehr gut die mit der geplanten Euro-Einführung erhöhte Stabilität der Steuer- und Währungspolitik Litauens auf. Das Land erfüllt nicht nur alle Konvergenzkriterien, sondern bleibt eines der wirtschaftlich stabilsten Länder der EU, mit einem robusten Wirtschaftswachstum und ohne sichtbare makroökonomische Ungleichgewichte.
Darüber hinaus haben Estland, Slowenien und die Slowakei, die den Euro bereits eingeführt haben, gezeigt, dass die Investitionsattraktivität des Landes nicht nur von der Währung abhängt und sich unbedingt auf die Verbesserung des Investitionsumfelds konzentrieren muss. Genau darauf legt Litauen am meisten Wert. Allein 2014 sind Gesetzesänderungen zur Erleichterung der Raumplanung, der Arbeitsverwaltung und der Einwanderungsverfahren hoch qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern verabschiedet worden.
Deutsche sprechen oft vom Baltikum als einem Wirtschaftsraum. Die baltischen Staaten legen jedoch sehr viel Wert auf ihre Individualität. Worin unterscheidet sich Litauen von Lettland und Estland?
Litauen unterscheidet sich darin, dass es Industriezentren aber regional ziemlich unterschiedliche Produktionskompetenzen aufweist. Panevezys, wo sich beispielsweise Schmitz Cargobull [Hersteller von Sattelaufliegern, Aufbauten und Anhängern, Anmerk. der Redaktion] niedergelassen hat, verfügt besonders über Maschinenbau- und Elektrotechnik-Kompetenzen und die Region Klaipeda, die den einzigen eisfreien Hafen im Baltikum hat, weist besonders Schiffbau-, Chemie- und Kunststoff-Kompetenzen auf.
Bei der Ansiedlung neuer Unternehmen geht es immer auch um das Thema Förderung. Wie sieht es hiermit in Litauen aus? Bietet das Partnerschaftsabkommen für 2014 bis 2020 hier neue Möglichkeiten?
Die geplante maximale Intensität der Gesamtunterstützung beträgt in Litauen 25 Prozent (Deutschland – zehn bis 15 Prozent) und ist besonders für F&E-Projekte und Unternehmen in den hohen Mehrwertbereichen nützlich. Mit EU-finanzierten Investitionsförderungsinstrumenten wird die Finanzierung von 50 bis 80 Prozent der F&E-Projekte sowie die Ausbildung von hoch qualifiziertem Personal sichergestellt. Aber auch ohne die Unterstützung der EU unterscheidet sich Litauen bezüglich der Erleichterungen für Unternehmen: Die in sieben Regionen existierenden Sonderwirtschaftszonen, bieten beispielsweise während der ersten 6 Jahre 0 Prozent Einkommenssteuer, 0 Prozent Besteuerung von Dividenden und 0 Prozent Immobiliensteuer.
In welchen Branchen sehen Sie für deutsche KMU die größten Chancen in Litauen?
KMU haben in Litauen einen Anteil von 99 Prozent aller wirtschaftlichen Unternehmen, deshalb ist die ganze Wirtschaftsstruktur perfekt auf sie abgestimmt. Für Produktionsprojekte ist Litauen wegen der Spezialisierungen attraktiv, die heute junge Talente anziehen - die Zahlen der Absolventen im Maschinenbau, der Produktion und im Bauwesen sind mehr als doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Das in Litauen vorhandene Know-how ermöglicht es, qualitativ hochwertig, kostengünstig und effizient zu produzieren. Mit dem Eisenbahn-, Strassen- und Schifffahrtstransport können die Produkte in ganz Europa und in den GUS-Staaten in weniger als sechs Tagen den Kunden zugestellt werden.
Sie sind die Kontaktperson für Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern. Wie weit kommt man im Geschäftsleben mit der deutschen Sprache?
Immer mehr junge Leute lernen Deutsch. Deutsch ist nach Russisch und Englisch die meistgesprochene Fremdsprache in Litauen. Die deutsche Sprache beherrschen mehr als 15 Prozent junger litauischer Fachkräfte im Alter zwischen 20 bis 29 Jahren.
Mit welchen Fragen kommen deutsche Unternehmen auf Sie zu?
Deutsche Unternehmer sind an den Geschäftsbedingungen, Steuern, Betriebskosten und an der Möglichkeit interessiert, entsprechend qualifiziertes Personal zu finden. Wir stellen alle notwendigen Informationen zur Verfügung, organisieren Besuche und teilen gemeinsam Sorgen und Freuden der neuen Standortwahl. Wir beraten ferner Unternehmen, die wegen einer EU-Unterstützung anfragen. Aber auch nach der Unternehmensgründung betreuen wir unsere Kunden. Für ausländische Unternehmen ist es bei der Niederlassung in einem neuen Land wichtig, Vertrauenspartner zu haben. Deshalb bemühen wir uns, vertrauenswürdiger Vermittler zwischen Unternehmen und Institutionen zu sein.
Sie haben sowohl mit deutschen als auch litauischen Unternehmern zu tun. Gibt es bemerkenswerte Unterschiede im Geschäftsleben? Was sollten deutsche Unternehmer auf jeden Fall vermeiden?
Die litauischen und deutschen Arbeitskulturen sind sich sehr ähnlich - beiden ist die Gleichstellung wichtig. Die Litauer sind bescheiden, aber sie verstehen wie die Deutschen, dass sie sich anstrengen müssen, um Ziele zu erreichen. Deshalb sind sie fleißig. Die Litauer schätzen die deutsche Unternehmenskultur sehr, die die Mitarbeiter fördert und Weiterbildungsmöglichkeiten bietet. Deutsche Namen wie Schmitz Cargobull, Lidl, Festo, Kurz Elektronik, Heinrichs, Metec, Ergo, Bio-Circle Technology haben sehr schnell gemeinsame Synergien mit den litauischen Mitarbeitern gefunden und steigern zusammen die Produktivität.
Eine ähnliche Unternehmenskultur hilft, Schwierigkeiten bei der Unternehmensgründung in Litauen zu vermeiden. Und wenn es trotzdem solche gibt - Invest Lithuania ist bereit, diese kostenlos mit der notwendigen Hilfe und Beratung zu unterstützen.
Der EuropaService der Sparkassen-Finanzgruppe informiert über ausgewählte Investitionsbedingungen in Litauen in seinem Länderinfo und bietet darüber hinaus die Möglichkeit Geschäftspartner in Litauen zu suchen. Mehr Infos unter https://europaservice.dsgv.de/
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