Finnland hat Ingenieure für Industrie 4.0 - Chance für deutschen Mittelstand
16.04.2015
Finnland erhält gute Standortbewertungen und gilt als attraktive Volkswirtschaft, dennoch ist das Bruttoinlandsprodukt das dritte Jahr in Folge geschrumpft. In diesem Jahr soll die Konjunktur wieder anziehen. Über Möglichkeiten für deutsche KMU an dem Aufschwung teilzuhaben informiert Petri Katajamäki, Leiter der finnischen Förderagentur (Finpro) in Deutschland.
Sehr geehrter Herr Katajamäki, mit Finnland verbinden viele Deutsche Holz, Papier und Nokia. Ist dies noch aktuell?
(lacht) „Jein“ würde wohl ein Deutscher jetzt antworten, es ist teils teils. Natürlich ist die Holz- und Papierindustrie weiterhin wichtig, aber die Proportionen verschieben sich doch. Nokia gibt es natürlich weiterhin, aber stark umstrukturiert. Jetzt werden die Mittelständler immer wichtiger und da sehe ich auch das größte Wachstumspotenzial für beide Länder für Finnland und für Deutschland.
Die Überwindung der derzeitigen Wirtschaftskrise ist im Wahlkampf das wichtigste Thema. Was versprechen die Parteien?
Über alle Parteien, egal ob es die Grünen, die Konservativen oder die Linken sind, gibt es einen großen Konsens: Die finnische Wirtschaft ist zurzeit in einer Phase, in der sie mehr gefördert werden müsste. Alle Parteien wissen, dass es ohne ausländische Direktinvestitionen nicht geht. Deswegen stimmt man auch überein, dass die Bürokratie und die Gesetze so einfach wie möglich für Investitionen sein sollten.
Geld spielt natürlich bei Investitionen auch immer eine wichtige Rolle, aber gerade für Mittelständler ist es wichtig, dass Vertrauen da ist. Die Gesetze in Finnland sind eindeutig, das versteht man. Darüber hinaus hat Finnland eine der niedrigsten Korruptionsraten. Dies sind wichtige Punkte für eine Investition.
Wo sehen Sie eine gemeinsame Basis für den Austausch zwischen Finnland und Deutschland?
Was Finnen und Deutsche verbindet ist vor allem Technologie. Ferner mögen beide Fakten, man kommt sofort auf den Punkt, was in vielen anderen Kulturen nicht der Fall ist, in denen man erst viel drum herum redet.
Ferner liest man ja jetzt so oft, dass es in gewissen deutschen Industriebereichen und Regionen einen Mangel an Ingenieuren und qualifizierten Fachkräften gibt. Finnland dagegen hat in der Nach-Nokia-Zeit viele qualifizierte Leute, die sich nun ein wenig umorientieren. Hier könnten deutsche Unternehmen beispielsweise im Forschungs- und Entwicklungs-Bereich investieren, weil sie in Finnland qualifiziertes Personal bekommen können.
In welchen Branchen sehen Sie für deutsche KMU denn die größten Chancen?
Ich denke hier vor allem an die Diskussion um die Industrie 4.0. Ich sehe folgendes Szenario: Beispielsweise ein Mittelständler im Bayerischen Wald, der sehr standortverbunden ist und sich jetzt erste Gedanken um ein Investment im Ausland macht, da er in Deutschland nicht mehr die hochqualifizierten Ingenieure bekommen kann. Dieses Unternehmen könnte sich beispielsweise überlegen, da es entsprechende Ingenieure in Finnland gibt, dort eine Service-Stelle für R&D einzurichten. Ich könnte mir vorstellen, dass solch ein Unternehmen eher nach Finnland gehen könnte, als nach China, wegen der kulturellen Nähe und man das Gefühl hat, dass man weiß, wie dort die Spielregeln sind.
Ich habe beispielsweise einen deutschen Headhunter getroffen und seine erste Frage war: „Hast Du finnische Ingenieure?“ Nun, ich fördere natürlich nicht den Export einzelner finnischer Ingenieure. Vielmehr sehe ich umgekehrt bei dieser Industrie 4.0, dass man physisch nicht mehr vor Ort sein muss, sondern das könnte ein Service-Center in Helsinki sein.
Sie waren in einem finnischen mittelständischen Industrieunternehmen tätig und hatten geschäftliche Verbindungen mit Deutschland. Jetzt sind Sie seit vier Jahren für Finpro aktiv. Mit welchen Fragen kommen denn deutsche KMU auf Sie zu, wenn sie sich für ein Engagement in Finnland interessieren?
Dies ist sehr unterschiedlich. Deutsche suchen eine gewisse Stabilität, auch in der Rechtsprechung. Und sie fragen konkret: Gibt es die Fachkräfte dort, die wir suchen? Typisch ist, dass sich die deutschen Unternehmen dort über Akquisitionen etablieren. Ich habe gerade beispielsweise mit einem finnischen Unternehmen gesprochen, das einen langjährigen Kunden in Deutschland hat und dieser Kunde hat ein Interesse daran, den finnischen Hersteller zu übernehmen.
Aber überwiegend sehen die Unternehmen, dass sie in Deutschland nicht die qualifizierten Ingenieure bekommen, die sie gern hätten. Dies ist besonders im Süden Deutschlands der Fall, wo die Arbeitslosigkeit sehr niedrig ist.
Und was die Stabilität angeht: Finnland ist das einzige nordische Land, dass in der Eurozone ist, somit gibt es keine Währungsrisiken.
Im Geschäftsleben können Fettnäpfchen schnell den Erfolg kosten. Wie sollten sich deutsche Unternehmen verhalten, damit dies nicht passiert?
Ein gewisser zurückhaltender Stil in der Kommunikation wäre vielleicht angebracht, wenn man es diplomatisch ausdrücken möchte. Wenn Finnen etwas Negatives über Deutsche reden wollen, dann sagen sie: „Jetzt kommen die Besserwisser.“
Wenn zum Beispiel ein deutsches Unternehmen ein finnisches erwirbt, und von Anfang an alles verändern will, fördert dies nicht gerade die Integration. Man sollte wissen, die Finnen reden wenig, aber handeln viel. Dies ist für den ein oder anderen Deutschen vielleicht etwas schwierig. Das heißt, man sollte den Finnen öfter mal fragen, um Informationen zu bekommen, seine Meinung zu ermitteln, um konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Insgesamt sehe ich jedoch mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede zwischen Finnen und Deutschen.
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