Kosovo: Reichlich Ressourcen

10.04.2013

Europas jüngste Republik bietet 363 Sonnentage pro Jahr, eine Bevölkerung, die zum Großteil unter 30 Jahren ist und von denen viele Deutsch können. Ferner wird der Euro in dem Land eingesetzt, auch ist ein EU-geprüftes Rechtssystem sowie seit einem Jahr eine Kosovarisch-Deutsche Wirtschaftsvereinigung (KDWV) vorhanden. Über Wirtschaften in einem Land, in dem noch Vieles in der Schwebe ist, informiert Manushaqe Dalipi, Projektmanagerin für den Bereich Wirtschaftsförderung in der KDWV.

Im Gespräch mit
Manushaqe Dalipi
Projektmanagerin für den Bereich Wirtschaftsförderung in der KDWV

Frau Dalipi, beim Gedanken an den Kosovo fallen vielen Menschen sofort die Begriffe Bürgerkrieg und Kriminalität ein. Hat das junge Land ein Imageproblem?

Die negativen Assoziationen mit der heutigen Republik Kosovo scheinen auf den ersten Blick verständlich: Vor allem seit der Zeit Ex-Jugoslaviens ist der Kosovo infolge einer verfehlten Wirtschaftspolitik und der damaligen Strukturen Ex-Jugoslaviens die ärmste Region auf dem Balkan, gleichzeitig wurde das Gebiet von zwei Bevölkerungsgruppen umkämpft und hatte lange einen umstrittenen politischen Status. Der „letzte Krieg Europas“ ist ferner gerade einmal fünfzehn Jahre her und hatte einen totalen Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung sowie eine hohe Anzahl an kosovarischen Flüchtlingen auf der ganzen Welt zur Folge. Die Antwort lautet also: Ja, der Kosovo hat noch ein Imageproblem. Es gibt jedoch auch viele positive Entwicklungen im Land, beispielsweise die sehr gute Sicherheitslage (das Bild des völlig ruinierten und gefährlichen Kriegsgebietes entspricht lange nicht mehr der Realität!). Von daher laden wir Sie herzlich nach Prishtina ein, machen Sie sich Ihr eigenes Bild, Sie werden auf jeden Fall (positiv) überrascht sein! 

Der Kosovo hat sich vor fünf Jahren für unabhängig erklärt, die KDWV ist vor einem Jahr gegründet worden. Was hat sich in diesem Jahr getan?

Seit der Gründung der Kosovarisch-Deutschen Wirtschaftsvereinigung am 17. April 2012 besteht nun offiziell eine Vereinigung, die als Stimme der deutschen Wirtschaft im Kosovo agiert und deren Ziel die Förderung der kosovarisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ist. Wir haben mittlerweile 70 Firmenmitglieder unterschiedlicher Sektoren, wie beispielsweise aus dem Baugewerbe, Consulting, Energie, IT, Bankwesen, etc. gewonnen, was für ein einziges Geschäftsjahr als sehr erfolgreich einzustufen ist. Unser Dienstleistungsangebot für deutsche Firmen beinhaltet generell die Begleitung der Firma vom Markteinstieg bis zur Eröffnung der Geschäftsstelle bzw. die Unterstützung bei jeglichen sonstigen Anfragen (bspw. Rechtsauskunft, lokale Behörden, Suche eines lokalen Geschäftspartners, ...).

Für die kosovarischen Mitglieder hingegen ist das Anliegen der KDWV vor allem die Förderung der Geschäftskontakte in Deutschland: So haben wir beispielsweise in diesem Geschäftsjahr bereits ein wichtiges Netzwerk zu deutschen Industriehandelskammern, Medien und weiteren deutschen Institutionen bilden können.

Was sind die wichtigsten Wirtschaftsthemen, die im Kosovo in Angriff genommen werden müssen?

Zu den wichtigsten Wirtschaftsthemen gehört sicherlich die Exportförderung: Im vierten Quartal 2012 war beispielsweise der Import von Handelsgütern im Kosovo zehn Mal so hoch wie der kosovarische Export, was zu einem Handelsdefizit von 200 Millionen Euro geführt hat.

Ferner ist das kosovarische Land sehr reich an Rohstoffen, deren Potenzial jedoch kaum für die Wirtschaft genutzt wird, vor allem mangels Fremdinvestoren. Da der Bergbausektor jedoch das größte Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen hat, ist auch dieses Thema für die wirtschaftliche Zukunft sehr wichtig.

"Kosovo Your Outsourcing Destination“ ist bereits in Angriff genommen, hier vor allem ist Outsourcing in den Bereichen IT und im kreativen Bereich, Prozessabwicklungen, etc. gemeint, soll aber auch auf weitere Branchen ausgebaut werden.

Die KDWV plant außerdem jährlich die Veranstaltung einer „Deutsche Messe“, in welcher alle deutschen Vertretungen präsentiert werden sollen, um so die Deutsch-Kosovarischen Beziehungen zu vertiefen. Da Deutschland der größte Fremdinvestor in der jungen Republik ist, ist die Vertiefung der Beziehungen zum deutschen Wirtschafts- und Kulturraum sehr wichtig für ihre wirtschaftliche Zukunft.

Der Kosovo zählt zu den ärmsten Regionen Europas mit wenig weiter verarbeitender Industrie. Wie schätzen Sie die Chancen für ausländische KMU ein? Wie sieht es mit Sicherheiten aus?

Trotz struktureller Probleme bietet der Wirtschaftsstandort Kosovo ausländischen KMU folgende Vorteile: Im Kosovo wird der Euro verwendet, was eine Investition in das Land um Einiges erleichtert und eine gewisse Stabilität sicherstellt. Außerdem hat der Kosovo ein stabiles und EU-geprüftes Rechtssystem sowie ebenso ein stabiles Bankensystem mit zahlreichen ausländischen Banken. Die räumliche Distanz zu den meisten EU-Ländern ist zudem sehr gering, die Hauptstadt Prishtina ist von Deutschland aus beispielsweise von jedem großen Flughafen aus in zwei Flugstunden zu erreichen. Die zentrale Lage des Landes auf dem Balkan ist zudem beispielsweise perfekt für eine Produktionsauslagerung fremder KMU für die Balkanregion geeignet, durch welche Unternehmen sowohl Transport- als auch bis zu 75% der Produktionskosten sparen können. Der steuerliche Aspekt mit einem Spitzensteuersatz von 10% bei geringen Produktions- und Personalkosten macht den Kosovo selbstverständlich ebenso attraktiv für ausländische KMU.

Um speziell auf deutsche KMU zu sprechen zu kommen, so ist die junge kosovarische Bevölkerung, von der rund jeder Zweite aufgrund der großen kosovarischen Diaspora in Deutschland Deutsch spricht, ebenso von großem Vorteil für eine Zusammenarbeit mit kosovarischen Unternehmen.

Das größte Potenzial besteht aufgrund der günstigen natürlichen Begebenheiten in den Branchen Energie, Bergbau und Tourismus sowie im IT-Bereich. Im Land gibt es beispielsweise ca. 363 Sonnentage pro Jahr, was ein großes Potenzial für die Gewinnung von Sonnenenergie darstellt. Die größten Schwierigkeiten bestehen dagegen wohl in der Umstrukturierung der Landwirtschaft, die noch sehr unproduktiv genutzt wird. Hier besteht vor allem eine große Herausforderung darin, den EU-Maßstäben für den Export von Landwirtschaftsprodukten gerecht zu werden.

Was die Sicherheiten für die ausländischen KMU angeht, so wurde das Gesetzessystem der jungen Republik an das EU-Rechtssystem angeglichen. Vor allem durch das im April 2006 verabschiedete „Law on Foreign Investment“ soll eine faire Behandlung sowie der Schutz von Fremdinvestoren gewährleistet werden. Und bei auftretenden Schwierigkeiten stehen selbstverständlich auch wir den deutschen KMU mit Rat und Tat zur Seite.

Das Kosovo ist mit seinen fünf Jahren nicht nur das jüngste Land in Europa, sondern hat auch eine sehr junge Bevölkerung. Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Rund 60% der Kosovaren sind unter dreißig Jahre alt. Diese junge Bevölkerung bietet für das Land und seine Wirtschaft ein sehr großes Potenzial: Für die Zukunft beispielsweise wird vor allem der IT-Sektor für die kosovarische Wirtschaft noch weiter an Wichtigkeit gewinnen, da beispielsweise die universitäre Ausbildung in den Computer Sciences im Kosovo den Standards der EU entspricht sowie bereits heute dem IT-Sektor des Landes ein großes Potenzial zuzuschreiben ist.

Leider betrifft aber die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit von 40% vor allem den jungen Teil der Bevölkerung: Da der Arbeitsmarkt bzw. die Wirtschaft kaum in das Bildungssystem einbezogen ist, herrscht auf der einen Seite eine hohe Perspektivlosigkeit der jungen Absolventen und auf der anderen Seite ebenso ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Für die Zukunft sollte sich die kosovarische Wirtschaft mehr an der Aus- und Weiterbildung – vergleichbar mit dem deutschen Dualsystem – beteiligen bzw. durch dafür geeignete Gesetzesvorschriften in diese einbezogen werden. Nur so kann eine Koordination zwischen Bildung und Wirtschaft sichergestellt werden. 


Informationen zur KDWV sind zu finden unter http://www.kdwv.org/de/Home

Der EuropaService bietet in seinem Länderinfo zum Kosovo weiterführende Quellen für Handel und Investitionen https://europaservice.dsgv.de/laenderinfos/irland-luxemburg/kosovo.html


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Iris Hemker
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