Kroatien: Interessant für KMU

02.09.2016

Die kulturelle Nähe und die guten Qualifikationen der Arbeitnehmer machen das Land auch für deutsche KMU interessant. AHK-Geschäftsführer Gunther Neubert erläutert weitere Vorteile eines Engagements in dem südosteuropäischen Land.

Im Gespräch mit
Gunther Neubert
AHK-Geschäftsführer

Herr Neubert, am 11. September stehen vorgezogene Neuwahlen an, was erhoffen Sie sich davon für die Wirtschaft?

In erster Linie erhoffen wir uns eine langfristig stabile Regierung und die Fortsetzung von strategisch wichtigen Projekten, die sich derzeit noch in der Warteschleife befinden. Wir erwarten, dass die im September neu gewählte Regierung an den dringend notwendigen Reformen, beispielsweise im Bildungs-, Steuer- und Verwaltungssystem, arbeiten wird. Als dringendste wirtschaftspolitische Aufgaben gelten die Verbesserung des Investitionsklimas und der Wettbewerbsfähigkeit sowie die Konsolidierung der Staatsfinanzen. 

Mittlerweile ist Kroatien seit drei Jahren in der EU. Was hat sich in dieser Zeit positiv entwickelt?

Drei Jahre nach EU-Beitritt befindet sich auch die kroatische Wirtschaft auf Vorwärtskurs. Das Land konnte 2015 bereits vom niedrigen Ölpreis, der guten Tourismus-Saison und der günstigen Lage in den wichtigsten Partnerländern in der EU profitieren, wodurch die Auslandsnachfrage gestiegen ist und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf Jahresbasis ein Wachstum von 1,6 Prozent verzeichnen konnte. Zu erwarten ist, dass sich das Wirtschaftswachstum in den folgenden Jahren noch beschleunigen wird, getrieben vor allem durch die Auslandsnachfrage, zunehmend aber auch vom privaten Verbrauch und den Investitionen.

Auch der kroatische Außenhandel, dessen Volumen 30 Milliarden Euro beträgt, verzeichnet nach dem Rekordjahr 2015 einen weiteren Aufwärtstrend mit einen Anstieg von knapp 4 Prozent im 1. Quartal 2016. Dabei ist Deutschland Kroatiens wichtigstes Importland.

Und was lief noch nicht so gut?

Als problematisch gestaltete sich bislang das hohe Budgetdefizit, da dies die Finanzierung des Eigenanteils bei EU-Förderungen erschwert. Die Regierung plant aber jetzt das Haushaltsdefizit unter drei Prozent zu senken. Ferner war der Zufluss von EU-Mitteln nicht immer optimal. Auch dieser soll verbessert werden. Kroatien stehen in der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 rund 10,5 Milliarden Euro aus EU-Struktur- und Investitionsfonds zur Verfügung, die zum großen Teil investitionswirksam werden. 

Was sind aus Ihrer Sicht die besonderen Stärken Kroatiens, weswegen sich deutsche Unternehmen in dem Land engagieren sollten?

Kroatien verfügt über eine sehr günstige geostrategische Lage mit guten Verbindungen nach Mittel- und Osteuropa. Die gute Verkehrsinfrastruktur mit einem modernen und beinahe flächendeckenden Autobahnnetz hilft Logistik- und Transferkosten vor allem für deutsche Unternehmen zu verringern. Durch die EU-Mitgliedschaft fallen zudem Verwaltungs- und Zollkosten weg, wodurch sich Kroatien von anderen Nicht-EU-Ländern auf dem Balkan hervorhebt.

Ein weiterer Vorteil Kroatiens ist die traditionelle kulturelle Nähe zu Deutschland. Von Unternehmen wird auch die gute Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschätzt, die zudem oft über gute Deutsch- und Englischkenntnisse verfügen.

Kroatien ist aber auch als Beschaffungsmarkt interessant und rückt immer mehr in den Fokus deutscher Einkäufer: „Hidden champions“ der kroatischen Industrie sind vor allem in der Metallverarbeitung, im Anlagenbau oder bei Schweißkonstruktionen, in der elektrotechnischen Industrie, der Holzindustrie sowie der Produktion mit spanabhebender Technik (insbesondere Hochpräzision) und in der Medizintechnik zu finden.

Der Tourismus hat im vergangenen Jahr enorm angezogen und hat einen Anteil von gut 18 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Besteht hier noch Investitionsbedarf?

Der Tourismus ist einer der wichtigsten Zugpferde der kroatischen Wirtschaft. Die Einnahmen aus dem Tourismus steigen von Jahr zu Jahr und lagen 2015 mit mehr als acht Milliarden Euro auf Rekordhöhe. Aber es gibt noch Ausbaupotenzial und steigende Investitionen werden erwartet.

So plant das größte Tourismusunternehmen in Kroatien, der österreichische Valamar-Konzern, bis 2020 Investitionen von 260 Millionen Euro. Die türkische Dogus-Gruppe hat in den vergangenen Jahren 350 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung von Hotel- und Ferienanlagen investiert. Auch Anleger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigen Interesse. Hierdurch bieten sich gute Chancen für deutsche Anbieter von Gastronomie- und Hotelausstattung.

In welchen Branchen sehen Sie gerade für deutsche KMU Chancen sich in Kroatien zu engagieren?

Neben dem Tourismus lohnt sich unternehmerisches Engagement vor allem in der Umwelttechnik, Infrastruktur (auch IKT) oder der Ernährungswirtschaft und dies nicht nur vor dem Hintergrund zur Verfügung stehender EU-Mittel. Das Land besitzt gute Voraussetzungen für eine breitgefächerte landwirtschaftliche Produktion mit Schwerpunkt auf dem biologischen Anbau. Viele Produkte sind bereits jetzt regional bekannt, autochthone Produkte aus den Küstenregionen Istrien und Dalmatien (Olivenöle, Weine, Trüffel) sind qualitativ vielen Konkurrenzprodukten überlegen.

Hinzu kommt der Wasserreichtum des Landes: Kroatien gehört zu den 30 wasserreichsten Staaten der Welt und nimmt europaweit den 3. Platz ein. Damit eignet sich das Land sehr gut für die Gewinnung erneuerbarer Energien durch Wasserkraft. Daneben bieten auch über 2.700 Sonnenstunden/Jahr, hohes Waldaufkommen im Karstgebiet und Windaufkommen an der Küste zusätzliche Chancen bei der Energieproduktion.

Nicht zu vergessen die lange Industrietradition Kroatiens, vor allem im Schiffs- und Maschinenbau, in der Metallverarbeitung, im pharmazeutischen Bereich, der Ernährungswirtschaft sowie in der Holzverarbeitung und Möbelproduktion.

Wie sieht es derzeit mit der Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen aus?

Kroatien bietet verschiedene Investitionsanreize zur Förderung von Unternehmen, die in Abhängigkeit von der Investitionssumme und der Anzahl neu geschaffener Arbeitsplätze Instrumente wie Steuer- und Zollvergünstigungen, Förderung bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie Kostenübernahme bei Aus- und Weiterbildungen vorsieht. Für Kleinunternehmen bis zu 10 Beschäftigten sind steuerliche Vorteile bei Investitionen ab 50.000 Euro und mindestens drei neu geschaffenen Arbeitsplätzen möglich.

Ganz aktuell ist die Ausschreibung zur Einreichung von Projektvorschlägen im Förderprogramm „E-Impuls“, womit KMU mit 33,5 Mio. Euro gefördert werden sollen. 


Der EuropaService bietet Infomationen über geschäftliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten Geschäftspartner in Kroatien zu suchen unter https://europaservice.dsgv.de/ 

Mehr Infos zur Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer unter https://kroatien.ahk.de/.


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Iris Hemker
Länderinfos, Kooperationsservice


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