Türkei bietet Freizonen und Förderung

01.06.2015

Solar, Wasser und Wind sollen die Abhängigkeit von Energie-Importen reduzieren. Gute Ansatzpunkte also für deutsche KMU in der Türkei aktiv zu werden. Über weitere Chancen und Möglichkeiten durch Förderungen berichtet Suat Bakir, Geschäftsführer der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer in Berlin.

Im Gespräch mit
Suat Bakir
Geschäftsführer der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer in Berlin

Sehr geehrter Herr Bakir, „Die Türkei hat alles, was Deutschland fehlt. Deutschland hat alles, was der Türkei fehlt.“ So das Fazit auf einer Wirtschaftskanzlei-Veranstaltung.Wie sehen Sie dies?

Wir sehen das genauso. Deutschland und die Türkei können sich sowohl im anderen Land aber auch in Drittländern prima ergänzen. Dabei sollte man nicht nur die unmittelbaren Nachbarn der Türkei in Erwägung ziehen. Angefangen vom Nahen Osten bis nach Mittel-Asien sollte man auch viele Staaten Afrikas erwähnen, in denen türkische Unternehmer bereits die ersten Schritte tun. Unternehmen aus Deutschland und der Türkei können sich zusammentun, um gemeinsam erfolgreich die Nachfrage dort zu befriedigen. 

Deutschland ist das drittwichtigste Lieferland der Türkei. Während im vergangenen Jahr jedoch die Importe aus Russland und China stiegen, gingen die deutschen Einfuhren zurück. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Russland war im vergangenen Jahr vor China und Deutschland das wichtigste Lieferland der Türkei. Beim letzten Besuch des Präsidenten Putin in der Türkei wurde die Zielmarke im bilateralen Handel von jetzt ca. 33 Mrd. USD auf 100 Mrd. USD im Jahre 2020 angesagt. Es ist zu erwarten, dass es im bilateralen Handel noch viel Spielraum nach oben geben wird. Unter den Abnehmern war Deutschland auch im Jahr 2014 das wichtigste Ziel türkischer Ausfuhren. Mit einem Anstieg von mehr als zehn Prozent erreichten die türkischen Exporte einen Wert von 15,2 Milliarden US-Dollar.

Während die Importe aus Russland und China gegenüber 2013 stiegen, gingen die deutschen Einfuhren mit einem Gesamtwert von 22,4 Milliarden US-Dollar um 7,5 Prozent tatsächlich zurück. Wir dürfen nicht vergessen, dass es bei diesem bilateralen Handel ein Übergewicht an Importen aus Deutschland gab. Die Abhängigkeit der Türkei von ausländischen Energielieferungen wirkte sich auch im letzten Jahr stark auf die Handelsbilanz aus. So machten die Erdöl- und Erdgaseinfuhren im Jahr 2014 trotz sinkender Ölpreise 65 Prozent des gesamten Handelsbilanzdefizits aus. Die Türkei bezieht Erdöl- und Erdgas aus Russland.

Die türkische Wirtschaft ist im Jahr 2014 lediglich um 2,9 Prozent gewachsen, was für die Türkei relativ wenig ist. Die ausländischen Direktinvestitionen waren sogar rückläufig, sie sanken um 1,7 Prozent auf 12,1 Milliarden US-Dollar. Angesichts der herannahenden Parlamentswahlen, was versprechen die Parteien den Unternehmen, damit diese wieder mehr investieren?

Unter den Firmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung sind die deutschen Firmen immer noch Spitzenreiter: Nach Angaben des türkischen Wirtschaftsministeriums gibt es in der Türkei derzeit rund 6.100 Firmen mit deutscher Beteiligung. Das Wirtschaftswachstum in der Türkei ist tatsächlich unter den Zielen geblieben, die sich die Türkei gesteckt hatte und auch braucht, um der stets wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden.

Bezüglich der Parlamentswahlen werden in Richtung ausländische Investoren keine direkten Aussagen oder Versprechen gemacht. Versprechen und Aussagen werden in Richtung Wähler im Inland getroffen, wobei seitens der Regierungspartei auf die politische Stabilität der vergangenen Jahre hingewiesen wird und es wird argumentiert, dass deshalb ausländische und inländische Unternehmen Investitionen tätigen und damit wirtschaftliches Wachstum entsteht, wovon die Bevölkerung profitiert.

Es ist ein Wahlkampf für allgemeine Parlamentswahlen, wo breite Schichten angesprochen werden. Unternehmen wird von der Regierungspartei in Aussicht gestellt, dass die bisherigen Bedingungen, die den wirtschaftlichen Aufschwung gewährleistet haben, beibehalten werden. Die Oppositionsparteien sprechen vielmehr die Arbeiter und Angestellten an und versprechen höhere Einkommen, so u.a. die Erhöhung des Mindestlohns.

In welchen Branchen ist der Investitionsbedarf besonders groß?

Vor allem sollte der Energiesektor deutschen Unternehmen große Chancen bieten. Da 65 Prozent des Handelsdefizits Erdöl- und Erdgaseinfuhren ausmachen, insgesamt 70 Prozent der für die Energieversorgung notwendigen Rohstoffe importiert werden müssen, die Bevölkerung und die Wirtschaft wächst und damit auch der Bedarf, sollen in den nächsten sieben bis zehn Jahren über 100 Milliarden US-Dollar in diesen Sektor fließen. Solar-, Wasser, Wind und Atomkraftwerke sollen die Abhängigkeit von Importen reduzieren.

Für deutsche KMU werden auch Projekte der Energieeffizienz Geschäftsmöglichkeiten bieten. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass neben der Energieeffizienz auch die Erdbebensicherheit bei den Gebäudesanierungen Ansatzpunkte sein könnten. Insgesamt sieht die Regierung Investitionen in Höhe von 700 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur bis zum Jahre 2023 vor, dem 100`jährigen Bestehen der Republik Türkei. Neben den 100 Milliarden US-Dollar in den Energiesektor, beinhaltet diese Zahl Investitionen in den Schienen-, Straßen-, Luft- und Wasserverkehr.

Es gibt 19 Freizonen in der Türkei. Welche Vorteile bieten diese deutschen KMU, wenn sie dort investieren?

Deutsche KMU sind in den Freihandelszonen befreit von Zöllen und vielen anderen Abgaben, produzierende Unternehmen unterliegen keiner Körperschaftsteuer, sind befreit von der Mehrwertsteuer und der Sonderverbrauchsteuer sowie von der Einkommensteuer für Beschäftigte (wenn mindestens 85 Prozent ihrer Produktion exportiert wird). Ihre produzierten Güter können auf unbefristete Zeit in der Freihandelszone bleiben. Gewinne aus den Freihandelszonen können ins Ausland oder in die Türkei abgeführt werden. Die Freihandelszonen haben eine sehr  moderne Infrastruktur, eine sehr gute Verkehrsanbindung über Land oder an Seehäfen und Flughäfen. 

Gibt es außerhalb der Freizonen für KMU besondere Förderungen?

Außerhalb der Freihandelszonen gibt es verschiedene staatliche Förderungen, die auch regional unterschiedlich sind bei der allgemeinen Investitionsförderung (sechs unterschiedliche Regionen). In der strategisch ausgerichteten Förderung  sieht bspw.  das F&E-Gesetz spezielle Fördermittel für F&E-Investitionsprojekte in der Türkei vor. Es beinhaltet steuerliche Abzugsfähigkeit von 100 Prozent der Ausgaben für Forschung und Entwicklung oder auch Befreiung von 50 Prozent der Sozialbeitragszahlungen für Arbeitgeber über einen Zeitraum von fünf Jahren usw. ..

Oder die Förderung von Technologieentwicklungszonen: Technologieentwicklungszonen sind Gebiete, in denen Forschung und Entwicklung sowie Investitionen in hochtechnologische Fachgebiete gefördert werden. Bezugsfertige Büros zur Miete, ausgebaute Infrastruktur werden zur Verfügung gestellt; aus Softwareentwicklungen und Forschung und Entwicklung erlangte Gewinne sind bis zum 31.12.2023 von Einkommens- und Unternehmenssteuern befreit; Gehälter von in der Zone angestellten Forschern sowie Software- und F&E-Mitarbeitern sind bis zum 31.12.2023 von persönlichen Einkommenssteuern befreit;  50% des Arbeitgeberanteils an Sozialversicherungsabgaben werden für fünf Jahre vom Staat übernommen etc.
Oder die organisierten Industriezonen, in denen neben dem investitionsfreundlichen Umfeld mit moderner Infrastruktur und geringen Wasser-, Erdgas- und Telekommunikationskosten erhebliche Befreiungen von Steuern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundstücken geboten werden.

Jedes Land hat seine Eigenarten. Womit tun sich deutsche Unternehmen in der Türkei besonders schwer?

Deutsche Unternehmer haben sich früher in der Türkei schwer getan, weil sie sich zumeist unvorbereitet in eine gänzlich neue Wirtschaftsregion gewagt hatten.  Mittlerweile lassen sie sich zuerst in Deutschland, dann in der Türkei beraten, so dass wir nicht mehr sagen können, womit sie sich besonders schwer tun. Was wir sagen können ist, dass deutsche Unternehmen mit einem Tor Vorsprung in den Wettbewerb in die Türkei gehen, denn weiterhin genießen deutsche Unternehmen a priori ein hohes Ansehen als Geschäftspartner. Deshalb ist das Interesse der deutschen KMU weiterhin sehr groß, die uns mit Anfragen bezüglich Investitionen in der Türkei täglich erreichen.


Über Investitionsbedingungen in der Türkei und verschiedene Möglichkeiten dort Geschäftspartner zu finden, informiert der EuropaService unter https://europaservice.dsgv.de.

Informationen über die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer finden sich https://www.td-ihk.de/de/.


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Iris Hemker
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