Georgien: Markt für Mittelständler
13.01.2014
Keine Korruption, aber ein Assoziierungsabkommen mit der EU. Uta Beyer, Geschäftsführerin der DWV, erläutert die derzeitigen Möglichkeiten in dem Land Geschäfte zu machen.
Frau Beyer, vor kurzem wurde das Assoziierungsabkommen mit der EU paraphiert. Was wird sich dadurch konkret ändern?
Bevölkerung und Regierung wollen ein europäisches Georgien, sie fühlen sich als Europäer. Die Annäherung an die EU bedeutet eine Annäherung an die europäischen Strukturen, die Stärkung von demokratischen Institutionen und die Anpassung an EU-Normen und Standards. Georgien erhält die Möglichkeit, neue Absatzmärkte zu erschließen und seine Volkswirtschaft enger mit denen der EU-Volkswirtschaften zu verbinden.
Als „ein Stück vom Paradies“ hat die ehemalige georgische Botschafterin in Deutschland, Gabriela von Habsburg, Georgien bezeichnet. Wie sehen Sie dies aus wirtschaftlicher Sicht?
Georgien gehört seit einigen Jahren zu den liberalsten Marktwirtschaften der Welt und schnitt in internationalen Rankings mit Bestnoten ab. Im Doing-Business-Report der Weltbank 2014 belegt Georgien beispielsweise den 8. Platz, hinter Südkorea und vor Norwegen. Insofern stimme ich Frau von Habsburg auch aus Wirtschaftssicht absolut zu.
Wie kommt es zu diesem guten Abschneiden bei den Rankings?
Notwendige Voraussetzung waren zahlreiche Reformen, die das Land unter der Regierung Saakashvili durchlaufen hat, und die die Infrastruktur für eine funktionierende Administration und Wirtschaft gelegt haben, insbesondere die Abschaffung der Korruption im Alltag. Sie können heute ihre Waren in kürzester Zeit und problemfrei durch den Zoll und durch das Land bringen, eine Firma anmelden und dies sogar in englischer Sprache, etc.
Vielen Bundesbürgern fällt zu Georgien eher die schwierige politische Situation des Landes ein (Stichworte: Abchasien, Südossetien, Russland). Inwiefern belastet das die Wirtschaft und die Attraktivität des Landes für Investoren?
Unter der vorherigen Regierung war das angespannte Verhältnis zwischen den Regierungschefs Saakashvili und Putin ein die Wirtschaft belastendes Thema. Die neue Regierung arbeitet an der Entspannung der Situation und der sukzessiven Öffnung des russischen Marktes für georgische Produkte. Seit Beginn des Jahres werden wieder georgische Weine und Mineralwasser nach Russland exportiert und diese Entwicklung wird voraussichtlich so weitergehen.
Wem würden Sie empfehlen, direkt in Georgien zu investieren und für wen ist der Export die bessere Alternative, um in Georgien Geschäfte zu machen?
Investitionen lohnen sich aufgrund der hohen Importabhängigkeit in den beiden wichtigen Produktsegmenten Herstellung von Baumaterialien sowie Landwirtschaft und Nahrungsmittel. Auch in anderen Bereichen, die nicht zu hochtechnologische Anforderungen aufweisen, ist eine Produktion möglich. Bereiche, die auf keinerlei Zulieferketten mit anderen Unternehmen zurückgreifen können, eignen sich eher weniger für eine Produktion, wie z.B. KFZ oder Maschinenbau.
„Georgien ist der typische Markt für Mittelständler.“ Würden Sie diesem Ausspruch der Leiterin des Hauptstadtbüros vom Ost- und Mitteleuropaverein zustimmen?
Ja auf jeden Fall, aber das ist in Deutschland ja nicht anders – 95% der deutschen Unternehmen sind Mittelständler und keine Großkonzerne.
Die Körperschaftsteuer in Georgien ist mit 15 Prozent recht günstig. Gibt es darüber hinaus spezielle Anreize für ausländische KMU in Georgien zu investieren?
Georgien zählt auch in anderen Steuerarten zu einem der Länder mit den niedrigsten Steuersätzen. Ein weiterer Anreiz sind die erfolgreich durchgeführten Reformen, die das Land zu einem Standort machen, der in der Region seinesgleichen sucht. Von Georgien aus erschließen sich, aufgrund der hervorragenden geografischen Lage, Märkte mit insgesamt rund 350 Millionen Menschen. Spezielle Anreize gibt es darüber hinaus im Bereich Tourismus (Freie Tourismus-Zonen), sowie in den Freihandelszonen im Allgemeinen (zusätzliche Steuererleichterungen).
Zur Förderung der Wirtschaft hat die Regierung mehrere Fonds errichtet. Können deutsche KMU, die in Georgien investieren wollen, hieraus Unterstützung erhalten?
Ja, ausländische Unternehmen werden wie einheimische behandelt. Zum Beispiel beteiligt sich der Partnership Fund mit rund der Hälfte an Investitionsprojekten ab ca. vier Millionen Euro.
Es heißt in Georgien herrscht eine liberale Wirtschaftspolitik. Gibt es dennoch für Unternehmen größere Hürden im Geschäftsalltag?
Eigentlich kaum. Es gibt in gewissen Branchen einen Fachkräftemangel, d.h. Unternehmen müssen sich mit Fragen der Qualifizierung von Mitarbeitern beschäftigen. Die kleine Marktgröße ist natürlich auch eine Herausforderung, was zum einen den Absatzmarkt betrifft, aber auch den Bereich der Zulieferungen.
Auf der jüngsten Veranstaltung des Mittel-Ost-Europa-Clubs hat Patrick Jung, Ihr Büroleiter in Armenien, gesagt, dass man in Georgien ruhig mit einem 100-Dollar-Schein in der Öffentlichkeit herumwedeln könne, es würde einem nichts passieren. Aber wie sieht es mit der Sicherheit im Geschäftsleben aus?
Ebenso. Die Kriminalitätsrate liegt meines Wissens unter der von Deutschland, dies betrifft sowohl die Straße als auch Unternehmen.
Die deutsche Sprache soll recht verbreitet sein im Land, aber wie weit kommt man im georgischen Wirtschaftsleben ohne georgische Sprachkenntnisse?
Sie kommen mit dem Deutschen und dem Englischen zu 100 Prozent durchs Geschäftsleben – dies kann ich aus der Erfahrung vieler Hundert deutscher Geschäftsleute, die wir hier schon begleitet haben, bestätigen.
Sie sind seit vier Jahren im Land aktiv. Welches Ereignis ist Ihnen besonders bemerkenswert in Erinnerung?
Der sehr friedliche und demokratisch verlaufende Regierungswechsel 2012. Darüber hinaus beeindruckt mich immer wieder das europäische Selbstverständnis aller Georgier.
Mehr Infos über Georgien bietet die DWV unter http://georgien.ahk.de/. Dort findet sich auch eine Kooperationsbörse für Unternehmen.
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