Europa: Netzwerken fördert KMU

08.05.2013

99 Prozent aller europäischen Unternehmen sind KMU und sie schaffen mehr als die Hälfte der gesamten Wertschöpfung aller Unternehmen in der EU. Damit KMU ihr Geschäfts- und Innovationspotenzial auch grenzüberschreitend voll entfalten können, unterstützt sie das Enterprise Europe Network (EEN), mit dem der EuropaService kooperiert. Wie dieses Netzwerk arbeitet, dass in gut 50 Ländern mit insgesamt 600 Organisationen verankert ist, erläutert Martine Diss, Referatsleiterin Kommunikation und Netzwerkunterstützung bei der Exekutivagentur für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation.

Im Gespräch mit
Martine Diss
Referatsleiterin Kommunikation und Netzwerkunterstützung, Exekutivagentur für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation

Frau Diss: Am 9. Mai ist Europatag. Was bedeutet dieser Tag für Ihre Arbeit im Enterprise Europe Network, einem Netzwerk, dass sich besonders an KMU wendet?

Am Europatag werden Frieden und Einheit in Europa gefeiert. Es ist der Tag der historischen Schuman-Erklärung. Im Jahr 1950 hielt der französische Außenminister Robert Schuman an diesem Tag in Paris eine Rede, in der er seine Vision einer neuen Art der politischen Zusammenarbeit in Europa vorstellte – eine Zusammenarbeit, die Kriege zwischen den europäischen Nationen unvorstellbar machen würde. Seine Idee war die Schaffung einer überstaatlichen europäischen Institution zur Verwaltung und Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion. Knapp ein Jahr später wurde eine solche Institution eingerichtet. Robert Schumans Vorschlag gilt als Grundstein der heutigen Europäischen Union.

Zur Feier des Europatags öffnen die EU-Institutionen ihre Tore. Die Vertretungen in Europa und der restlichen Welt organisieren verschiedenste Aktivitäten und Veranstaltungen für Jung und Alt. Jedes Jahr nehmen am Europatag tausende Menschen an Besuchen, Debatten, Konzerten und anderen Veranstaltungen teil, die die EU der Öffentlichkeit näherbringen sollen, auch den Unternehmen.

Von Europa ist seit einiger Zeit fast ausschließlich im Zusammenhang mit Finanzkrise zu lesen. Als einer der Köpfe des EEN in Brüssel treibt es Ihnen da nicht die Tränen in die Augen wenn Sie sehen, dass die realwirtschaftliche Sicht völlig aus dem Auge verloren geht? Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Mehr als 99 Prozent aller europäischen Unternehmen sind KMU. Sie schaffen zwei von drei Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft und sind für mehr als die Hälfte der gesamten Wertschöpfung aller Unternehmen in der EU verantwortlich. Zudem ist der Mittelstand das wirkliche Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Ihm ist Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum zu verdanken, und er spielt eine Schlüsselrolle in den Bereichen Innovation, Forschung und Entwicklung.

Das Enterprise Europe Network fördert das Unternehmertum und ist ein wichtiges Instrument für die Umsetzung der Strategie Europa 2020 und des Small Business Act. Es ist in Einrichtungen zur Wirtschaftsförderung wie beispielsweise Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Agenturen für Innovationsentwicklung, Technologiezentren und Forschungseinrichtungen eingebunden, die sich durch ihre Nähe zu KMU und ihren Zugang zu einem EU-weiten Netzwerk von Fachleuten in europäischen Wirtschaftsfragen auszeichnen. Dieses Netzwerk wurde von der Generaldirektion Unternehmen und Industrie geschaffen und ist Teil des EU-Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, das die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen fördern soll. Es wird von der Exekutivagentur für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (EACI) geleitet.

Nicht nur aus Sicht der Bürger, sondern auch aus Unternehmersicht wird Brüssel vielfach als Moloch empfunden. Wie versucht das EEN dem zu begegnen?

Das Enterprise Europe Network unterstützt die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dabei, ihr Geschäfts- und Innovationspotenzial voll und ganz zu entfalten. Es gibt rund 23 Millionen KMU in der EU. Informationen für KMU müssen auf lokaler Ebene und in der jeweiligen Sprache zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Grund haben wir das Enterprise Europe Network ins Leben gerufen, die erste lokale Anlaufstelle für KMU, die Unterstützung benötigen. Das Netzwerk  bietet Unternehmen kostenlose und umfangreiche Beratung und Hilfe. Das Enterprise Europe Network informiert über EU-Finanzierungsmöglichkeiten oder Marktchancen – in der Sprache des anfragenden KMU. Es unterstützt KMU bei der Suche von Geschäftspartnern in anderen Ländern und berät bei der Bewältigung regulatorischer Hindernisse. Um diese Dienstleistungen in der Nähe der anfragenden KMU anbieten zu können, verfügen wir über ein Netzwerk von rund 600 Mitgliedsorganisationen innerhalb der Grenzen der EU und sogar darüber hinaus.
 

„Wir stehen Unternehmen zur Seite“ – So der EEN-Slogan auf Deutsch. Was bedeutet dies konkret?

KMU in der Europäischen Union sind von elementarer Bedeutung für das Wirtschaftswachstum. Das Enterprise Europe Network ist das größte globale Support-Netzwerk für Unternehmen: Es bietet KMU nicht nur strategische Dienstleistungen zur grenzüberschreitenden Kooperation, sondern auch wertvolle Informationen und Ratschläge zum Zugang zu EU-Fördermitteln. Dank des Netzwerkes „Enterprise Europe Network“ erhalten Unternehmen, wie der Slogan „Business Support on Your Doorstep“ bereits andeutet, die Förderung „direkt vor der Haustür“. Deshalb der Slogan „Wir stehen Unternehmen zur Seite“. Das „No-Wrong-Door-Prinzip“ gilt für das gesamte Netzwerk sowie für jeden Netzwerkpartner. Jährlich wenden sich etwa zwei Millionen KMU an das Enterprise Europe Network. 

Das EEN ist ein Netzwerk bestehend aus rund 600 Organisationen in 53 Ländern, mit dem der EuropaService der Sparkassen-Finanzgruppe kooperiert. Wie würden Sie einem KMU den Nutzen des Netzwerks für das Unternehmen erklären und wie erfährt das Unternehmen von den Dienstleistungen des EEN?

Das Netzwerk ist Teil des politischen Gesamtkonzepts der Kommission zur Förderung der unternehmerischen Initiative und des Wachstums von Unternehmen in Europa. Das Netzwerk unterstützt KMU beim Zugang zu EU-Projekten und zu Finanzierungsmöglichkeiten, und verhilft ihnen zu mehr Innovationen, neuen Produkten und Geschäftsmöglichkeiten im Binnenmarkt. Darüber hinaus ist das Netzwerk KMU dabei zu Diensten, um Geschäftspartner zu finden und vertragliche Vereinbarungen mit ihnen festzulegen. Außerdem sorgt das „Enterprise Europe Network“ dafür, dass die politischen Maßnahmen und Initiativen der Kommission für die KMU nützlich sind und keinen unnötigen bürokratischen Aufwand verursachen.

Unter den vielen Dienstleistungen des Netzwerks scheinen Unternehmen vor allem die Informationen und Ratschläge zur EU-Förderung zu schätzen. Die breite Palette an verfügbaren Möglichkeiten macht es schwierig für KMU, diejenigen zu identifizieren, die für ihr Unternehmensprofil und ihre Projekte geeignet sind. Ein guter Weg, um herauszufinden, ob für ein KMU-Projekt EU-Programme zur Förderung verfügbar sind, ist der Kontakt zu einer Zweigstelle des Enterprise Europe Network in dem Land, in dem das jeweilige KMU seinen Sitz hat. Das Netzwerk bietet Unterstützung und maßgeschneiderte Beratung in Mitgliedstaaten und mehr. Zum Beispiel haben sich dank des Enterprise Europe Network zwei europäische KMU zusammengetan, um eine bahnbrechende Krebsbehandlung zu entwickeln. Das EU-Förderprogramm Eurostars hat das KMU Sentinel,  ein kleines pharmazeutisches Unternehmen in Cambridge im Vereinigten Königreich, und Biovica, ein schwedisches Biotechnologie-Unternehmen aus Uppsala, mit finanziellen Mitteln in Höhe von 500.000 Euro unterstützt.

Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, um KMU in Europa noch besser helfen zu können?

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind Europas Motor für den Aufschwung, doch dafür muss ihnen der Zugang zur Finanzierung erleichtert werden. Im aktuellen Planungszeitraum (2007 bis 2013) steht in Europa durch Programme wie das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP), das Mikrofinanzierungsinstrument Progress, das Risikoteilungsinstrument des Siebten Forschungsrahmenprogramms, Darlehen der EIB und Strukturfonds eine Reihe flexibler Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. Dank der KMU-Garantiefazilität im Rahmen des CIP erhielten fast 220.000 KMU Zugang zu Darlehen. Ab 2014 beabsichtigt die Kommission, die EU Darlehensgarantien für KMU mit dem neuen COSME-Programm und dem neuen Horizont 2020-Programm auszuweiten. Jeder Euro, der in die Garantien gesteckt wird, kann Bankdarlehen in Höhe von durchschnittlich 30 Euro ermöglichen.


Durch die Kooperation mit dem Netzwerk hilft der EuropaService den Sparkassen-Firmenkunden beispielsweise bei der Suche nach Geschäftspartnern in Europa und darüber hinaus. (https://europaservice.dsgv.de/kooperationsservice.html)

Weitere Informationen zum Netzwerk unter https://een.ec.europa.eu/


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Iris Hemker
Länderinfos, Kooperationsservice


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