Bedarf an Ausrüstungen und Technologien für Transformation
Der Weltmeister in der Pkw-Produktion pro Kopf kann Dank einer breiten industriellen Basis mehr als Fahrzeuge produzieren. Über die Vorzüge der Slowakei, Vorgehensweisen und mögliche Stolpersteine bei geschäftlichen Aktivitäten informiert Peter Kompalla, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AHK Slowakei.
Ende September ist in der Slowakei gewählt worden. Inwiefern ist dies ein Thema unter Ihren Mitgliedern? Werden Hoffnungen für die Wirtschaft damit verbunden?
Die Mitglieder der AHK Slowakei blicken vergleichsweise gelassen auf die Wahl. Für die Mehrheit der Firmen ist die Nachfrage auf den Auslandsmärkten entscheidender für den weiteren Geschäftserfolg. Insofern sorgen die wirtschaftlich schwachen Impulse, die aktuell aus Deutschland als dem wichtigsten Handelspartner der Slowakei kommen, für die größere Skepsis.
Eine Studie des Bratislava Policy Institute ergab, dass mehr als 70 Prozent glauben, dass man im slowakischen Geschäftsleben nur erfolgreich sein kann, wenn man politische Verbindungen hat. Bekommen Sie ähnliche Äußerungen von Ihren Mitgliedern zu hören?
Sowohl aus unseren Umfragen als auch aus unseren Gesprächen mit deutschen Unternehmen vor Ort können wir dies nicht bestätigen. Die Probleme sind eher vergleichbar mit Deutschland: die Energiekosten sind zu hoch, Fachkräfte fehlen und die Digitalisierung bräuchte einen weiteren Schub.
Was raten Sie in diesem Zusammenhang, aber auch allgemein, Unternehmen aus Deutschland, wenn sich diese in der Slowakei engagieren möchten?
Die Slowakei punktet als Standort mit der geografischen Nähe zu Deutschland, einer starken industriellen Basis, motivierten Arbeitskräften und nicht zuletzt dem Euro. Jedoch weist der slowakische Markt diverse Eigenheiten beim Rechts- und Steuerrahmen sowie eine hohe Preissensibilität auf. In vielen Branchen sind die internationalen Wettbewerber bereits vor Ort etabliert. Fachkräfte sind, wie bereits angedeutet, schwierig zu finden. Daher halten wir eine individuelle Beratung für unabdingbar. Dies schließt Analysen zum Absatzpotenzial und geeigneten Standorten sowie die Vermittlung von gut vernetzten Geschäftspartnern ein.
Bislang ist die Industrie des Landes sehr auf die Automobilproduktion fokussiert. Wenn sich jetzt Unternehmen aus Deutschland in der Slowakei wirtschaftlich engagieren möchten, sei es im Ex- oder Import, bzw. wenn sie investieren möchten. In welchen Branchen sehen Sie die größten Chancen?
Die Automobilindustrie bietet weiterhin Chancen. Volvo baut gerade in der Ostslowakei eine neue Fabrik für Elektrofahrzeuge, Volkswagen und weitere OEMs sind am Expandieren. Das sorgt für Erweiterungsinvestitionen bei den Zulieferern und damit entsprechenden Bedarf nach Ausrüstungen.
Große Nachfrage besteht ferner nach technologischen Lösungen, die die digitale und grüne Transformation unterstützen. Der Slowakei stehen hierfür in den kommenden Jahren umfangreiche Fördermittel aus Brüssel zur Verfügung.
Die gute Nachricht für deutsche Lieferanten: Deutschland ist in einer Vielzahl von Branchen der wichtigste Beschaffungsmarkt der Slowakei.
Potenzial ist aber auch in der umgekehrten Richtung vorhanden. Es gibt in der Slowakei etliche Betriebe aus den Bereichen Metallverarbeitung, Maschinenbau und Elektrotechnik, die auf eine lange industrielle Tradition zurückblicken und ihr Geschäft internationalisiert haben. Deutschland ist dabei der wichtigste Zielmarkt, viele deutsche Firmen verfügen bereits über gute Erfahrungen mit Lieferanten aus der Slowakei.
Die Slowakei hat eine Grenze mit der Ukraine. Wie wirkt sich diese Nähe zur Ukraine auf die Unternehmen aus?
Direkte Auswirkungen sind kaum festzustellen. Die Firmen sehen die EU und die NATO als ausreichenden Schutzschirm. Wir kennen kein Unternehmen, das sein Geschäft in der Slowakei wegen des Krieges in der Ukraine zurückgefahren hat. Die indirekten Auswirkungen sind schwieriger zu bewältigen, aber diese betreffen den gesamten europäischen Markt.
Im Zusammenhang mit Covid und Lieferengpässen war vielfach von Nearshoring bzw. Reshoring zu lesen. Haben Sie in der Slowakei etwas von diesem Trend gespürt?
Unsere Auslandshandelskammer ist in der Slowakei die erste Anlaufstelle für Unternehmen aus Deutschland. Seit der Pandemie erreichen uns zahlreiche Anfragen zu potenziellen Lieferanten aus der Slowakei und zum Aufbau neuer Standorte in der Slowakei. Unternehmen in Deutschland haben als Folge der Lockdowns und Lieferengpässe damit begonnen, ihre Lieferantennetzwerke und ausländischen Produktionsstandorte auf den Prüfstand zu stellen. Das war auch ein Ergebnis in unseren Umfragen. Die Slowakei mit ihrer zentralen Lage in Europa und der ausgeprägten Industrielandschaft sehen wir für den Near-/Reshoring-Trend gut aufgestellt.
Im Tagesgeschäft werden oft Unterschiede im Geschäftsgebaren deutlich. Was erfahren Sie in diesem Zusammenhang von Ihren Mitgliedern, sei es in positiver oder negativer Hinsicht?
Grundsätzlich ist die kulturelle Nähe zwischen Deutschland und der Slowakei hoch, was die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen sehr einfach macht. Einige Stolpersteine gibt es jedoch im Detail. Die Planung ist häufig sehr kurzfristig ausgelegt, was entweder zu Hochdruck-Arbeit vor Ablauf einer Deadline oder zu unerwarteten Planänderungen führen kann. Auf der anderen Seite beeindrucken Slowakinnen und Slowaken auch immer wieder durch ihr Improvisationstalent. Bei der Kommunikation ist darauf zu achten, dass nicht gerne Nein gesagt und negatives Feedback entweder gar nicht oder nur versteckt geäußert wird. Es ist daher wichtig, stets zwischen den Zeilen zu lesen.
Informationen zur AHK Slowakei finden Sie unter https://slowakei.ahk.de/.
Unternehmen, die sich in der Slowakei engagieren möchten, finden weitere Hinweise über geschäftliche Rahmenbedingungen in der Länderinformation Slowakei. Kurzprofile slowakischer Unternehmen, die Partner in Deutschland suchen, sind ebenfalls beim EuropaService zu finden. Auch die aktive Geschäftspartnersuche ist möglich.
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