Tschechen legen Wert auf Beziehungen

29.08.2016

Jedes Land hat seine Eigenarten im Geschäftsleben. Über einige kulturelle Besonderheiten in Tschechien, die KMU helfen Fettnäpfchen zu vermeiden, informiert Petra Boteková, Managing Director CEE bei ICUnet.

Gespräch mit
Petra Boteková
Managing Director CEE bei ICUnet

Geschäfte mit anderen Kulturen funktionieren immer ein wenig anders. Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen dem tschechischen und dem deutschen Geschäftsgebaren?

Besonderheiten der tschechischen Mentalität sind die starke Beziehungsorientierung und der Personenbezug. In Tschechien wird nicht nur darauf geachtet, eine gute Atmosphäre am Arbeitsplatz zu schaffen, sondern hier auch Freundschaften zu schließen. Es werden nicht nur erfolgreiche Geschäftsabschlüsse gefeiert, sondern auch Geburtstage. Oft unternehmen Kollegen auch einen gemeinsamen Wochenendausflug, dies fördert Freundschaften, die jahrelange vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen tragen.

Prinzipiell haben die meisten Tschechen ein breites persönliches Netzwerk, das häufig Türen öffnet. Es kann also durchaus passieren, dass jemand um einen Gefallen bittet. Solche Dinge funktionieren jeweils nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“.

Und wie sieht es mit der Anrede aus?

Wie in vielen anderen europäischen Ländern üblich, stellt man auch in Tschechien eine Anrede dem Nachnamen voraus, in diesem Falle „Pane“ (Herr) oder „Paní“ (Frau) sowie gegebenenfalls einen akademischen Titel. Gute Freunde und Verwandte sprechen sich grundsätzlich mit Vornamen an und umarmen sich bei der Begrüßung. Hier gilt aber auch: Die jüngere Generation nennt bei der gegenseitigen Vorstellung, im Gegensatz zu der älteren, kaum noch Titel. 

Was sollten deutsche Unternehmen unbedingt beachten, wenn sie in Tschechien erfolgreich Geschäfte machen wollen?

Ein Zuspätkommen sowie ein Zufrühkommen gelten als sehr unhöflich. Achten Sie also darauf, möglichst pünktlich zu sein! Wenn Ihnen jedoch ein Tscheche eine Nachricht schickt und ankündigt, dass er sich verspäten wird, sollte das aber nicht als respektlos angesehen werden.

Angenommen, Sie werden zu einem Abendessen im Restaurant eingeladen, zögern Sie nicht, ein kleines Geschenk wie zum Beispiel eine Flasche Wein oder Schokolade mitzunehmen. Dieses gilt als Zeichen Ihrer Wertschätzung.

Und was sollten deutsche KMU unbedingt vermeiden?

Vorsicht ist beim Begriff Tschechei geboten: Für viele Tschechen ist der von den Nationalsozialisten geprägte Begriff negativ besetzt. Stattdessen sollten besser die Begriffe „Tschechien“ oder „Tschechische Republik“ gewählt werden. Auch sollte man nicht die Slowakei und Tschechien in einen Topf werfen.

Wenn Sie  mit Geschäftspartnern gemeinsam in einer Bar sind, sollten Sie nicht auf getrenntes Bezahlen bestehen. Tschechen sind gemeinschaftsorientiert, meistens bezahlt einer für alle. Kommt es zur getrennten Rechnung ist es empfehlenswert, die Summe in gleichen Teilen zu begleichen.

Üben Sie ferner keine offene Kritik und vermeiden Sie direkte Botschaften, um niemanden in seinen Gefühlen zu verletzten. Deshalb ist es üblich, zuerst eine positive Botschaft zu geben.

Die meisten Tschechen finden darüber hinaus lange und faktenreiche Präsentationen und Diskussionen eher ermüdend und eigentlich sogar unnötig, da sie über die Informationen meistens schon verfügen. Sie wissen also längst, was sie zu tun haben.

Was war für Sie der bemerkenswerteste Fall bei Ihrer Begleitung eines deutschen Unternehmens in Tschechien?

Während man in Deutschland sehr stark im Voraus plant, sind die Tschechen in ihrer Planung eher flexibel. Diese tschechische Flexibilität und ihre Auswirkungen hatte ein deutscher Filialleiter am eigenen Leib erfahren: Eine Messe in Prag sollte am 1. Juni beginnen. Zwei Wochen vor Messebeginn musste der Filialleiter für eine Dienstreise nach Deutschland. Er  bat seine tschechischen Kollegen vor Ort, diese zwei Wochen sorgfältig zu nutzen, um den Messestand und die dazugehörige Präsentation gut vorzubereiten, was die Kollegen versprachen. Während seines Aufenthaltes in Deutschland erkundigte sich der Filialleiter zwei Mal bei seinen Kollegen, ob alles nach Plan läuft und bekam positive Rückmeldungen. Zur Eröffnung der Messe reiste der Filialleiter mit dem deutschen Chef an. Alles sah perfekt organisiert aus, der erste Tag verlief wie geplant. Am Abend jedoch erhielt der deutsche Niederlassungsleiter aufgebrachte Anrufe von Ehepartnerinnen seiner Kollegen mit der Bemerkung „Warum mussten unsere Gatten das ganze Wochenende Tag und Nacht den Messestand vorbereiten?“. Der deutsche Filialleiter wunderte sich und verstand die Reaktionen nicht.

Was war passiert? Während seiner Dienstreise hatten sich die Kollegen nicht wie vereinbart um die geplante Organisation des Messestandes gekümmert. Stattdessen gingen sie anderen Kundenanfragen nach. Erst als die Zeit bereits sehr knapp war, erledigten sie die Organisation des Messestandes. Für die tschechischen Kollegen war dies kein Problem, die Aufgabe wurde zum Stichtag erledigt – wie vereinbart. Der deutsche Filialleiter jedoch war sichtlich irritiert, da er genügend Zeitpuffer eingeplant hatte, so dass die Kollegen auch am Wochenende ausreichend Freizeit für die Familie gehabt hätten. 


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