Kroatien auf Expansionskurs

17.12.2019

Stärker als der EU-Durchschnitt ist die kroatische Wirtschaft in jüngster Zeit gewachsen. Sven Thorsten Potthoff, Geschäftsführer der AHK Kroatien erläutert, wo die Chancen für deutsche Unternehmen liegen. 

Kroatien auf Expansionskurs
Im Gespräch mit
Sven Thorsten Potthoff
Geschäftsführer der AHK Kroatien

Herr Potthoff, am 1. Januar 2020 übernimmt das jüngste EU-Land Kroatien die EU-Ratspräsidentschaft. Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Wirtschaft des Landes?

Die EU ist Kroatiens wichtigster Außenhandelspartner und die Ratspräsidentschaft ist eine hervorragende Gelegenheit, für Kroatien europaweit und global als Geschäfts- und Investitionsstandort und Handelspartner zu werben. Die Bedingungen dafür werden auch günstig sein, da die Investitionen im kommenden Zeitraum sowieso steigen sollen und da sich Kroatien im Doing-Business-Ranking verbessert hat. Zudem bleibt die kroatische Wirtschaft weiter auf Expansionskurs und wächst im Moment stärker als der EU-Durchschnitt.

Wird sich für die AHK in dem halben Jahr etwas ändern?

Kroatien wird durch die EU-Ratspräsidentschaft in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit und Investoren rücken, und dazu ist noch die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande positiv. Daher gehen auch wir davon aus, dass das Interesse der deutschen und ausländischen Unternehmen am Geschäftsstandort Kroatien in diesem Zeitraum steigen wird.

Welche Stimmung nehmen Sie in den Unternehmen bezüglich der Europäischen Union wahr?

Der Beitritt zum gemeinsamen Binnenmarkt hat sich sehr positiv auf den Handel mit den EU-Ländern ausgewirkt. Kroatiens Exporte in die Mitgliedstaten sind z. B. um fast 50 Prozent gestiegen, die Importe um etwa 35 Prozent. Der Wegfall der Zölle hat den Handel beschleunigt und vereinfacht, einen zusätzlichen Schub erwarte ich vom baldigen Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum und von der anstehenden Euro-Einführung. Der Schengen- und der Eurozone-Beitritt werden auch vom Großteil unserer Mitglieder unterstützt.

Nach Ihrer jüngsten Konjunktur-Umfrage würden nur noch 54 Prozent Kroatien wieder als Investitionsstandort wählen. Wie erklären Sie sich dies?

Es geht um eine negative Entwicklung, die wir seit 2018 verzeichnen. Kroatien schneidet in dieser Umfrage als Investitionsstandort aber weiterhin besser ab als seine Nachbarländer mit der Ausnahme Sloweniens. Wir sehen, dass die kroatische Regierung den Willen hat, die Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern, und dass entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden. Doch ihre Umsetzung verläuft schleppend und das wirkt sich negativ auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen aus. Die Liste der größten Standortnachteile ist in unseren Konjunkturumfragen seit Jahren gleich.

Was werden Sie tun, um mehr Unternehmen für Kroatien zu gewinnen?

Wie immer – auf die vielen Vorteile des Standortes Kroatien hinweisen. Kroatien ist immerhin ein EU-Mitgliedstaat, das Investoren die Sicherheit eines EU-Landes bietet. Es hat eine hervorragende geografische Lage und alle europäischen Städte sind von hier aus schnell und einfach erreichbar. Kroatien hat ein sehr gutes Autobahnnetz, gut ausgebildete Fachkräfte, günstige Mieten und Immobilienpreise und bietet eine ausgezeichnete Lebensqualität.

Was sehen Sie als besonderen Pluspunkt Kroatiens für deutsche Unternehmen?

Die traditionelle Nähe des Landes zu Deutschland – und nicht nur die geografische. Ungefähr ein Drittel der Kroatinnen und Kroaten sprechen Deutsch, deutsche Touristen sind hier Stammgäste und die Marke „Made in Germany“ wird als große Qualitätsgarantie angesehen.

Kroatien erhält in der Förderperiode 2014 bis 2020 10,8 Milliarden Fördermittel der EU. Wie können deutsche Unternehmen daran partizipieren?

Deutsche Unternehmen können sich an Ausschreibungen für Projekte beteiligen, die mit EU-Fördermitteln mitfinanziert werden. Hier können sie sich etwa mit ihren Lieferungen oder Dienstleistungen bewerben. Beteiligung an diesen Projekten ist aber nur über Partnerschaften mit kroatischen Unternehmen möglich.

In welchen Branchen sehen Sie die größten Chancen für deutsche KMU? Sei es im Ex- oder Import oder bei Investitionen?

In Kroatien gibt es gute Geschäftsmöglichkeiten in vielen Branchen. Die größten Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen aus Deutschland sehe ich im Moment im Energie-, Infrastruktur- und dem Tourismussektor, im verarbeitenden Gewerbe und im Ikt-Sektor. Künftig könnten sich Chancen durch den Ausbau von 5G-Netzen im Telekommunikationssektor eröffnen.

Welchen Tipp geben Sie deutschen Unternehmen mit auf den Weg, wenn diese sich in Kroatien wirtschaftlich engagieren möchten?

Bereiten Sie sich gut auf den kroatischen Markt vor, indem Sie Ihre Branche analysieren, den Wettbewerb ausfindig machen und sich gut über den rechtlichen und steuerlichen Rahmen informieren. Und ganz wichtig: Suchen Sie sich einen vertrauensvollen lokalen Partner, der sich im Markt auskennt. Auf diesem Weg kann Sie auch unsere AHK mit einem umfangreichen Leistungspaket begleiten.


Informationen über geschäftliche Rahmenbedingungen finden Sie im Länderinfo Kroatien. Kroatische Unternehmen, die Kontakte zu deutschen Firmen haben möchten, finden Sie im Bereich Kooperationsservice.


Die Deutsch-Kroatische Industrie- und Handelskammer finden Sie unter dem Link https://kroatien.ahk.de/.


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