Albanien - gute Vorbereitung steigert den Erfolg

Vielfältige Chancen im Tourismus und weiteren Sektoren

Nachhaltigkeit spielt bei der weiteren Entwicklung Albaniens eine wichtige Rolle. Neben der Energiebranche gilt dies insbesondere im Tourismus und bei Infrastrukturmaßnahmen. Lesen Sie mehr über Highlights, Schatten, Spagat und Investitionsanreizen in dem Westbalkanland.

Albanien - gute Vorbereitung steigert den Erfolg
Anette Kasten
Präsidiumsmitglied der Deutsch-Albanischen Wirtschaftsgesellschaft

Frau Kasten, Albanien ist auf der jüngsten Internationalen Tourismus Börse als Gastland im Rampenlicht gewesen. Worauf fielen die Lichtkegel?

Albanien - gute Vorbereitung steigert den Erfolg
Atemberaubende Landschaften wie die Felsschlucht Osum hat Albanien reichlich zu bieten.

Albanien hat sich auf der ITB als eines der aufregendsten Reiseziele Europas präsentiert. Das Land, welches rund 2,8 Millionen Einwohner hat und etwa so groß wie Belgien ist, hat seine unglaubliche Vielfalt, seine Authentizität und seine Gastfreundschaft in den Vordergrund gestellt.

Atemberaubende Gebirgslandschaften, verschiedene Küstenformen an Adria und Ionischem Meer, Lagunen, Fluss-Canyons sowie der einzige europäische Wildfluss „Vjosa“, der zu einem Natur-Reservat erklärt wurde, ein kulinarisches Angebot balkanischer Küche mit Einflüssen aus den Nachbarländern und schließlich das kulturelle Erbe - Städte und Orte, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören - um nur die wichtigsten Highlights zu nennen.   

Die Tourismusbranche in Albanien, die sich in den vergangenen 20 Jahren zunächst sehr mäßig entwickelte, ist inzwischen mit einem Viertel des BIP zum Wachstumsmotor für das Land geworden. Zwischen 2019 und 2024 verdoppelten sich die Besucherzahlen auf rund 12 Millionen. 

Wie geht Albanien mit diesem Wachstum um? Und hat das Land eine Strategie entwickelt?

Albanien - gute Vorbereitung steigert den Erfolg
Neben der Natur gibt es auch viel Kultur in Albanien zu entdecken. (Foto: Anette Kasten)

Genau. Die neue Tourismusstrategie zielt nicht mehr auf die Steigerung der Touristen-Zahlen ab, sondern konzentriert sich auf nachhaltige Entwicklung, den Schutz und die Förderung besonders wichtiger Tourismusgebiete sowie Infrastrukturmaßnahmen im ganzen Land.

Zur Infrastrukturerweiterung gehört der Bau zweier neuer Flughäfen: einer entsteht in der Hafenstadt Vlora im unteren Drittel des Landes und ein weiterer in Gjirokastra, der UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt im äußersten Süden. Dazu gehören auch der Ausbau des Hafens von Vlora, der Aufbau eines landesweiten Schienennetzes, die allgemeine Verbesserung der Verkehrsnetze und eine nachhaltige Stadtentwicklung – alles Ziele, die in ihrer Gesamtheit noch vor zehn Jahren kaum denkbar waren.

Besondere Aufmerksamkeit wird der Entwicklung der nördlichen Alpenregion gewidmet, wo sich die höchsten Bergmassive befinden, und ein Alpen-Nationalpark eingerichtet wurde. Daneben bleibt die südliche Riviera ein Schwerpunkt, mit Plänen zur Aufwertung der maritimen Dörfer, des Bergtourismus in Küstennähe und der Entwicklung neuer Yachthäfen. 

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Was lag abseits der Scheinwerfer?

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Altes bewahren und Neues wagen, ist nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen.

Die albanische Regierung muss den schwierigen Spagat zwischen der Bewahrung der Naturschätze des Landes, deretwegen die Touristen kommen, und den Bebauungs- und Infrastrukturmaßnahmen hinbekommen. Wenn neue Flughäfen gebaut werden, so gilt es, angrenzende Naturschutzgebiete im Auge zu behalten. Flughäfen in der Nähe der touristischen Gebiete sind jedoch unverzichtbar, da sonst die Reisenden, die am Flughafen Tirana landen, ca. 2-4 Std. für die Anfahrt in die  Urlaubsgebiete benötigen.

Eine weitere Herausforderung ist der Personalmangel, der in Albanien sowohl den Tourismussektor als auch andere Bereiche betrifft. Hier müssen bessere Löhne gezahlt werden, oder – wie teilweise bereits praktiziert – Personal aus dem Ausland angeworben werden. 

Und schließlich muss das Land auf die Überforderung achten, die ein forciertes Bewerben mit sich bringen kann. Natürlich ist es richtig, High-Level-Tourismus an ausgesuchten Plätzen zu promoten. Unter anderem will Jared Kushner, der Schwiegersohn von Donald Trump, auf der aktuell unbewohnten Adriainsel Sazan, die vor allem für ihre natürliche Schönheit und ihre historische Bedeutung bekannt ist, ein Luxus-Resort bauen.

Allerdings sollte an den Orten, die schon lange Zeit ein Ziel für den Standard-Tourismus sind, oder die es wegen der besseren Erreichbarkeit werden, verschiedene Maßnahmen zu ihrem Erhalt durchgeführt werden, z. B. Müllvermeidungsstrategien oder auch Kläranlagen für die Verbesserung der Wasserqualität, damit wirkliche Nachhaltigkeit im ganzen Land und in jeder Form von Tourismus gewährleistet ist. 

Noch trägt der Tourismus einen wesentlichen Teil zum Bruttoinlandsprodukt bei. Um nicht alles auf eine Karte zu setzen, plant das Land sich wirtschaftlich zu diversifizieren. Wo werden neue Schwerpunkte gesetzt?

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In der Schuhproduktion ist Albanien führend im westlichen Balkan.

Für die Entwicklung Albaniens sind folgende Sektoren besonders wichtig und werden von der Regierung gefördert:

Energie - Albanien erzeugt rund 99 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft. Der Bau eines weiteren Wasserkraftwerks in der Drin-Kaskade wird von der deutschen KfW-Bank finanziert. Darüber hinaus werden erste Solarparks gebaut, z. B.  durch das internationale Energieunternehmen Voltalia, aber auch durch das deutsch-albanische Joint Venture VEGA SOLAR, die 1 % der Energieerzeugung erreichen. Trotz dieser Produktion importiert Albanien weiterhin Strom, der auch aus konventionellen Quellen stammt. Bis 2030 strebt das Land jedoch an, 54,4 Prozent seines Bruttoendenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken.

Der Bausektor hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, besonders in den Bereichen Immobilien, was in der Hauptstadt Tirana eindrücklich zu besichtigen ist, und weiterhin bei der Infrastruktur. Der Bau des neuen Industriehafens Porto Romano, 10 Kilometer südlich von Durrës, dient in Zukunft als Erweiterung für den Handel und Containerumschlag des bestehenden Hafens von Durrës. Dieser wird dann Kapazitäten der Personenbeförderung – Fähren und Kreuzfahrtschiffe – weiter ausbauen. 

In der Landwirtschaft sind besonders der Anbau von Obst und Gemüse, die Viehzucht und der Weinbau weit verbreitet, darüber hinaus Spezial- und Nischenprodukte, wie die Muschel- und Froschzucht und organische (Heil)Kräuter. Salbei für Tees und pharmazeutische Zwecke ist ein wichtiges Exportgut Albaniens. Die landwirtschaftliche Produktion kommt aber in vielen Bereichen nicht über eine kleinteilige Bewirtschaftung hinaus. Jedoch gibt es positive Entwicklungen und Vorzeigebetriebe, die die Landwirtschaft in allen genannten Bereichen auf eine höhere Ebene heben. 

In der verarbeitenden Wirtschaft ist Albanien vor allem in der Schuh- und Textilproduktion führend im westlichen Balkan. Haupthandelspartner ist in diesem Bereich Italien, das vor allem Lohnfertigung in Albanien durchführt. Eine breitere Palette von Handelspartnern gibt es in der Leichtindustrie. Allerdings leiden die Produktionsbetriebe aktuell unter hohen Energiekosten, Lohnerhöhungen sowie der Aufwertung des albanischen Lek, was die Exporte verteuert.

Albanien verfügt ferner über reiche Mineralvorkommen, einschließlich Chrom, Kupfer, Nickel und Bauxit. Der Bergbau spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft des Landes und stellt einen bedeutenden Exportsektor dar. Bei den Stahl- und Metall-Exporten des Landes handelt es sich zum großen Teil um Verarbeitungsprodukte des Chrom-Abbaus, der im Nordosten bei Bulqiza betrieben wird.

Albaniens Ölvorkommen im Umfeld der Stadt Fier in der Mitte des Landes wurden schon in kommunistischer Zeit erschlossen. Aktuell werden dort rund 14.300 Barrel Erdöl täglich von verschiedenen Firmen gefördert.

Unabhängig davon ist die internationale Ölgesellschaft Shell in Albanien mit der Erkundung und Erschließung von Öl- und Gasvorkommen im Süden des Landes aktiv.

Dienstleistungen, zu denen Logistik und das Hotel- und Gaststättengewerbe gehören, aber auch der IT- und Kommunikationsbereich, werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Die wichtigsten ausgelagerten Aktivitäten in Albanien sind Dateneingabe und -Verarbeitung und Call Center für EU-Länder. Doch hat sich an den Universitäten des Landes eine neue Riege von jungen IT-Spezialisten gebildet, die die Software-Entwicklung in Albanien durchführen.

Als DAW möchten Sie besonders das Interesse von Investoren wecken. In welchen Bereichen sehen Sie die größten Chancen für deutsche KMU?

Deutsche KMU sind schon lange vor Ort. Die Kabelkonfektionsfirmen Forschner und PSZ lassen in Albanien seit rund zehn Jahren Kabelbäume für den deutschen Auto- und Maschinenbau produzieren. Im Logistik-Bereich erbringt GALA (German-Albanian-Logistics-Agency) Logistikdienstleistungen als Schiffsagentur und im Straßentransport. GALA ist ein Mitglied der norddeutschen Ems-Fehn-Gruppe. AFTO (Albanian Ferry Terminal Operator), zur FRS in Flensburg gehörig, ist im Personenfährbetrieb tätig. Beide Firmen haben ihren Sitz im Hafen von Durrës.

Die größte deutsche Investition wurde von der bayerischen Lindner Group getätigt, einem starken, familiengeführten Mittelständler, der vor den Toren Tiranas und nahe dem internationalen Flughafen drei Großinvestitionen für geplante 150.000 Millionen Euro erstellt: den Bürokomplex Tirana Business Park, das Fünf-Sterne MK-Hotel sowie den Wohnkomplex Lindner Garden Residence. Neben moderner, eleganter und zweckorientierter Architektur  nach deutschem Standard sind alle Objekte erdbebensicher, was dem Unternehmen eine hervorragende Reputation einbrachte. Es gehört heute zu den wichtigen Auslandsinvestoren im Immobilienbereich Albaniens.

Eine der interessantesten deutschen Investitionen ist im Bereich der IKT zu finden. Lufthansa Industrial Solutions, zum Lufthansa-Konzern gehörend, liefert IT-Dienstleistungen für Luftfrachtlogistik und Instandhaltung. Das Unternehmen bedient darüber hinaus rund 200 externe Kunden mit Digitalisierungsstrategien und KI-Lösungen. Der Standort in Albanien beschäftigt mittlerweile 800 Mitarbeiter.

Weitere deutsche Unternehmen sind: Messer (Industriegase), Röfix (Baustoffe), Rossmann & LALA (Rossmann-Gruppe mit alb. Investor), futura dent (Fachhandel für Zahntechnik), die Lufthansa Gruppe und  DHL.

Der Körperschaftsteuersatz in Albanien liegt bei 15 Prozent, was sehr attraktiv klingt. Aktuell liegt das Land aber auf Platz 80 von 180 beim Korruptionswahrnehmungsindex. Dies steht dem deutschen Sicherheitsbedürfnis entgegen. Was entgegnen Sie diesen Bedenken?

Korruption gibt es in sämtlichen Ländern mit einem großen öffentlichen Sektor, aber schwachen Institutionen, in denen enge Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Medien vorherrschen. Das ist typisch für Transformationsstaaten im Übergang in die Marktwirtschaft. Vor allem mangelnde Rechtsstaatlichkeit wurde von allen ausländischen Investoren beklagt.

Im Bewusstsein dieser Tatsache hat Albanien seit 2016 eine umfassende Justizreform durchgeführt, bei der sich Richter und Staatsanwälte auf Integrität und persönliche Vermögensverhältnisse einem sogenannten „Vetting-Prozess“ unterziehen mussten.  Bis Oktober 2024 wurden fast alle der 805 vorgesehenen Fälle abgeschlossen. Dabei gab es 370 Bestätigungen im Amt und 267 Entlassungen, dazu Rücktritte, Ruhestand und sonstige Gründe. Ein großer Erfolg, der anfangs nicht für möglich gehalten wurde. Der Nachteil ist, dass aktuell viele Posten im Rechtssystem noch nicht nachbesetzt werden konnten.

Gleichzeitig wurde eine Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption und Organisierte Kriminalität (SPAK) geschaffen, die für die Fortführung der Antikorruptionsmaßnahmen zuständig ist. Es war vor allem der Wunsch Albaniens, der EU beizutreten, der zu diesen Reformen geführt hat.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Unternehmen, die für ihr Geschäft eine Chance sehen, trotzdem Investitionen in nicht ganz einfachen Märkten wagen. Einige ziehen sich zurück, aber die meisten bleiben.

Entscheidend ist, dass sich die Firmen im Vorfeld ein genaues Bild über die Bedingungen ihres spezifischen Sektors machen. Die oben genannten Kabelkonfektionsfirmen Forschner und PSZ sind mit relativ niedrigen Startinvestitionen und sehr geringem Personalstand in Albanien eingestiegen. Heute beschäftigen sie zusammen über 2000 Mitarbeiter.

Die wichtigste Adresse für eine gute Investitionsvorbereitung inkl. Markt- und Sektor-Recherche in Albanien ist die Partner-Institution der DAW: DIHA – Deutsche Industrie- und Handelsvereinigung in Albanien, die die genannten deutschen Unternehmen alle zu ihren Mitgliedern zählt. 

Viele Länder versuchen mit Anreizen die Wirtschaftsentwicklung zu forcieren. Wie sieht es diesbezüglich in Albanien aus?

Albanien hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Anreizen eingeführt, um ein investitionsfreundliches Umfeld zu schaffen, die Entstehung von Arbeitsplätzen zu fördern und die technologische Entwicklung im Land voranzutreiben. Dazu gehören:

▪ Senkung von Gewinnsteuern auf 5 Prozent für Unternehmen der Softwareentwicklung und der Automobilindustrie

▪ Keine Mehrwertsteuer auf die Einfuhr von Maschinen/Ausrüstungen für Investitionen im Wert von mehr 500.000 Euro

▪ Keine Mehrwertsteuer auf Medikamente und Gesundheitsdienstleistungen

▪ Erleichterte Mehrwertsteuer-Rückerstattungsverfahren für Exporteure

▪ 6 Prozent MwSt. für zertifizierte Agrotourismusbetriebe für Beherbergung und Gastronomie

▪ Bei Investitionen von mehr als 8,2 Millionen Euro, Verlängerung für den steuerlichen Verlustvortrag von 3 auf 5 Jahre.

Dies sind nur einige Beispiele. Auskunft zu der Gesamtheit der aktuellen Incentives kann ebenfalls die DIHA geben.

Erwarten Sie Änderungen durch die anstehende Wahl?

Albanien - gute Vorbereitung steigert den Erfolg
Weiter so wie bislang oder kommen neue Kräfte an die Macht? Albanien wählt im Mai ein neues Parlament. (Foto: Anette Kasten)

Sollte die Sozialistische Partei (SP) wiedergewählt werden, ist zu erwarten, dass die aktuellen Investitionsanreize und wirtschaftspolitischen Maßnahmen fortgesetzt werden. Ein Investitionsplan in Höhe von 2,2 Milliarden Euro für die Jahre 2025 bis 2026 wurde angekündigt, mit Schwerpunkt auf den oben genannten Infrastrukturprojekten. Ein Sieg der oppositionellen Demokratischen Partei (DP) könnte hingegen zu einer Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik führen, insbesondere in Bezug auf erhebliche Steuersenkungen bei gleichzeitigen Lohnsteigerungen.


Informationen über die Deutsch-Albanische Wirtschaftsgesellschaft e. V. (DAW) finden Sie unter https://www.daw-wirtschaftsgesellschaft.de/ und über die Deutsche Industrie- und Handelsvereinigung in Albanien (DIHA) unter https://diha.al/


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Fotos: iStock und Anette Kasten

Iris Hemker
Länderinfos, Kooperationsservice


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