Ukraine: Wirtschaftspartner vor der Haustür der EU
03.08.2018
Rückschläge bei Reformen, aber auch Verbesserungen sind in der Ukraine vorhanden. Für den Aufbau einer geschäftlichen Zusammenarbeit ist die Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen wichtig. Über die wirtschaftliche Lage in der Ukraine und Chancen für deutsche KMU informiert Ralf Lowack, CIM-Experte im Europäischen Büro der IHK der Ukraine in Kiew.
Herr Lowack, kürzlich sind von der EU die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen fehlender Fortschritte im Friedensprozess verlängert worden. Welche Auswirkungen hat der Konflikt auf die Wirtschaft der Ukraine?
Der Konflikt im früher stark industriell geprägten Osten der Ukraine stellt die Wirtschaft des Landes vor große Herausforderungen. Innerhalb der Ukraine wurden Lieferketten gestört, da sich auf den Gebieten, die seit vier Jahren nicht von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden, wichtige Unternehmen aus den Bereichen Kohle, Stahl, Maschinenbau und Rüstungsindustrie befanden. Im Land gibt es mehr als eine Million Binnenflüchtlinge, Menschen, die jetzt versuchen, sich an einem anderen Ort eine neue Existenz aufzubauen. Zusätzlich bindet der fortwährende Konflikt Ressourcen, welche die Ukraine eigentlich für die Stärkung und Modernisierung der Wirtschaft benötigt.
Auch nach außen sind im Osten wichtige traditionelle Märkte und Lieferketten weggebrochen, insbesondere im Handel mit den fünf Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion. Zwischen 2012 und 2017 sind die ukrainischen Exporte in diese fünf Länder um 75% gesungen, ein Minus von 17 Mrd. US Dollar. Besonders schwer betroffen sind davon ukrainische Unternehmen aus Schwerindustrie, Maschinenbau und Rüstungsindustrie.
Diese aktuellen Herausforderungen führen aber auch zu positivem Veränderungsdruck und Reformen, welche die ukrainische Wirtschaft dauerhaft umgestalten werden.
Vielen fällt im Zusammenhang mit der Ukraine der Begriff „Kornkammer Europas“ ein. Was hat das Land noch zu bieten?
Durch gemeinsame Grenzen mit vier EU- Ländern ist die Ukraine ein Wirtschaftspartner direkt „vor der Haustür“. Mit mehr als 40 Millionen Einwohnern hat die Ukraine einen nennenswerten Inlandsmarkt, dessen Kaufkraft allerdings durch die Krisen der vergangenen Jahre beeinträchtig ist.
Das vor einigen Jahren in Kraft getretene Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU führt zur systematischen Annäherung an die wirtschaftlichen Spielregeln der EU. Der Handel und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit werden damit in Zukunft weiter erleichtert. Zölle werden schrittweise abgebaut und sind bei vielen Produkten bereits auf null. Mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent der ukrainischen Exporte bei steigender Tendenz ist die EU jetzt der wichtigste internationale Handelspartner der Ukraine. Das Wachstum der Exporte in die EU betraf in den vergangenen drei Jahren mit wenigen Ausnahmen nahezu alle Produktgruppen.
Neben dem wichtigen Agrarbereich hat die Ukraine eine lange Tradition als Industrieland und ist zum Beispiel weltweit eines der wenigen Länder, die Flugzeuge und Raketen vom ersten Entwurf bis zur Produktion komplett entwickeln und herstellen können. Weitere wichtige Branchen sind neben den bereits erwähnten Maschinenbau, Metallverarbeitung, Lebensmittelindustrie, Holzverarbeitung und Möbelindustrie, Elektroindustrie aber auch die Bekleidungs- und Schuhindustrie.
Durch vorhandene Ressourcen, günstige Produktionskosten und die geografische Lage ist die Ukraine auch für Kooperationen und als Standort für Entwicklung und Produktion sehr interessant. Im jährlichen Rating des fDi Magazine der Financial Times belegen ukrainische Städte und Regionen regelmäßig führende Plätze in der Kategorie Kosteneffizienz. Das Land verfügt über gut qualifiziertes Humankapital und „produziert“ jährlich mehr als 130.000 Ingenieure und rund 16.000 IT-Absolventen. Mittlerweile ist die Ukraine unter den Top 10 der weltweiten IT- Standorte.
Nehmen Sie eine Veränderung in der Wirtschaft des Landes bzw. in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine wahr?
Nach wirtschaftlichen Turbulenzen in 2013 und 2014 ist die Ukraine seit einigen Jahren wieder auf Wachstumskurs, wenn auch nur im niedrigen einstelligen Bereich. Das Bankensystem wurde reformiert und die heimische Währung stabilisiert. Sowohl die Auswirkungen des Konfliktes im Osten, als auch der Prozess der Annäherung an die Europäische Union führen zu wichtigen grundlegenden Veränderungen in der ukrainischen Wirtschaft. Um einige Tendenzen zu nennen: die Industriestruktur wandelt sich von der traditionellen Schwerindustrie hin zu mehr verarbeitender und Leichtindustrie, einhergehend mit der stärkeren Entwicklung mittelständischer Strukturen im industriellen Bereich. Geographisch verschiebt sich der wirtschaftliche Schwerpunkt vom industriellen Osten in die Zentral- und Westukraine.
Ukrainische Unternehmen arbeiten jetzt aktiv an der Erhöhung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Erschließung neuer Märkte. Außenwirtschaftlich erfolgt eine Neuorientierung von den traditionellen Märkten in Russland und anderen GUS- Staaten hin zur EU und Drittmärkten. Die Struktur der ukrainischen Exporte zeugt von ersten Erfolgen: neben niedrig veredelten Erzeugnissen der Stahlindustrie, chemischen Industrie und Landwirtschaft werden auch immer mehr Erzeugnisse mit höherer Wertschöpfung exportiert.
Ein wichtiges Signal für die deutsch- ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen war sicher die Gründung einer deutsch- ukrainischen AHK vor zwei Jahren. Deutsche Investoren nehmen die Veränderungen in den Rahmenbedingungen der Ukraine positiv zur Kenntnis und interessieren sich wieder verstärkt für das Land. Besonders deutsche Automobilzulieferer haben in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Produktionsstätten in der Ukraine eröffnet. Firmen wie Leoni, Bader, Kromberg & Schubert und auch andere haben zusätzlich zu bereits früher bestehenden ukrainischen Standorten, in weiteren ukrainischen Städten neue Werke errichtet. Auch in anderen Branchen, wie zum Beispiel der Landwirtschaft oder Erneuerbaren Energien, sind deutsche Investoren aktuell auf der Suche nach interessanten Objekten.
Die deutschen Exporte in die Ukraine profitieren von der wirtschaftlichen Stabilisierung und der Modernisierung der ukrainischen Unternehmen. Die wichtigsten deutschen Exporte, Investitionsgüter wie Maschinen, Fahrzeuge und Landtechnik, sind in den letzten Jahren wieder stark gestiegen. Weitere wichtige Exportgüter sind elektrotechnische, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse sowie Kunststoffe, mit teilweise ebenfalls starkem Wachstum.
In den vergangenen drei Jahren wuchsen die deutschen Importe, zuletzt in 2017 mit 25 Prozent. Dies ist vorrangig auf deutsche Investoren in der ukrainischen Automobilzulieferindustrie sowie Importe von Raps zurückzuführen. Aber auch auf immer erfolgreichere ukrainische Haushaltsgeräte-Hersteller. Andere wichtige Importgüter aus der Ukraine sind Erze, Stahl und Stahlerzeugnisse, Bekleidung, Holzerzeugnisse, Möbel und Maschinen.
Der deutsch- ukrainische Handel profitiert außerdem von den sich im Rahmen des EU- Freihandelsabkommens verbessernden Rahmenbedingungen. Um ein kleines Beispiel zu nennen: die Ukraine ist in den letzten Jahren in die Top 3 der Herkunftsländer für deutsche Honigimporte aufgestiegen. Auch Importe anderer Erzeugnisse der Agrar- und Lebensmittelindustrie wachsen im teilweise hohen zweistelligen Bereich.
Wenn man die Berichterstattung in deutschen Medien über die Ukraine verfolgt, bekommt man das Gefühl, dass Unternehmen das Risiko schon sehr mögen müssen, um sich dort wirtschaftlich zu engagieren. Wie sehen Sie das?
Leider wird in westlichen Medien der erfolgreiche breite Reformprozess in der Ukraine kaum wahrgenommen. Bei Reformen wird, wie auch beim Aufräumen, oft Staub aufgewirbelt. Im Fokus der Berichterstattung steht dann oft leider nur der Staub und nicht das Aufräumen.
Es gibt wichtige Reformen im Steuerbereich, im Bankensektor, bei der Dezentralisierung, in der Energie- und Kommunalwirtschaft und nicht zuletzt auch bei der Korruptionsbekämpfung - alles Bereiche die für ein wirtschaftliches Engagement sehr relevant sind. Natürlich verlaufen Reformen nicht ohne Rückschläge. Aber internationale Experten, die sich intensiv und tiefgründig mit der Ukraine beschäftigen, loben die Veränderungen und systematischen Verbesserungen in vielen Bereichen in den letzten Jahren.
Unternehmertum hat mit einem sehr bewussten Umgang mit Chancen und Risiken zu tun. Wie auch in anderen Ländern der Erde geht es aus meiner Sicht bei wirtschaftlichen Aktivitäten in der Ukraine nicht darum, das Risiko besonders zu mögen, sondern sich vorab ausführlich mit den Rahmenbedingungen und den geschäftlichen Perspektiven zu beschäftigen und mögliche Risiken zu bewerten. Es gibt mittlerweile viele objektive Informationen über die Ukraine im Internet, und natürlich steht die IHK der Ukraine und auch andere Berater für vertiefende Fragen zur Verfügung.
Jeder Unternehmer muss dann abwägen, ob ein möglicherweise höheres Risiko vielleicht durch deutlich höhere Margen überkompensiert wird. Oder auch prüfen, ob bestimmte in den westlichen Medien dargestellte Risiken für das eigene Geschäftsmodell überhaupt relevant sind. Und sich im Zweifel auch gegen ein wirtschaftliches Engagement entscheiden.
Die Ukraine hat grundsätzlich ein Imageproblem. Ich merke das regelmäßig, wenn ausländische Besucher beim ersten Besuch der Ukraine bereits nach kurzer Zeit äußern, wie positiv überrascht sie von Kiew sind. Unternehmern, die sich ernsthaft mit der Ukraine beschäftigen, empfehle ich deshalb immer, sich unbedingt einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
Wo könnten für deutsche KMU die größten Chancen liegen, sich wirtschaftlich in der Ukraine zu betätigen, sei es im Ex/Import oder bei Investitionen?
Deutsche Erzeugnisse und Technologien, wie auch deutsche Unternehmen als Geschäftspartner, haben in der Ukraine einen ausgezeichneten Ruf. Eine Reihe von Branchen, welche für die deutsch- ukrainische wirtschaftliche Zusammenarbeit von Bedeutung sind, habe ich bereits erwähnt. Für die Modernisierung der Wirtschaft, die Erhöhung der Verarbeitungstiefe und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist die Ukraine auch in den nächsten Jahren auf moderne Ausrüstungen und Technologien angewiesen. Hier sehe ich auch in der Zukunft große Chancen für deutsche Exporteure. Je breiter und kleinteiliger sich die ukrainische Wirtschaft entwickelt, desto mehr sind hier auch flexible deutsche mittelständische Anbieter gefragt, nicht nur Hersteller von großen Industrieanlagen.
Deutsche Importeure sollten den Aufwand nicht scheuen, sich mit den neuen Möglichkeiten auseinander zu setzen, die das EU-Freihandelsabkommen bietet. Die geschilderten Veränderungen in der ukrainischen Wirtschaft führen dazu, dass vieles was noch vor wenigen Jahren galt, sich heute ganz anders darstellt. Junge, dynamische ukrainische Unternehmen aber auch traditionelle Betriebe orientieren sich im Moment stark in Richtung EU-Markt und suchen aktiv nach europäischen Geschäftspartnern. Längst nicht alle sind tatsächlich schon bereit für die in der Regel höheren Anforderungen.
Der Aufbau von Lieferbeziehungen in Richtung Deutschland und EU ist deshalb häufig auch mit Know-how- Transfer seitens der Importeure verbunden. Gerade am Anfang der Zusammenarbeit funktioniert das in der Regel nicht mit Standardanfragen der deutschen Einkaufsabteilung, sondern ist mit einem bestimmten Entwicklungsaufwand verbunden. Hier sehe ich die Stärke und das Potenzial deutscher KMU, mit zukünftigen Lieferanten flexibel, geduldig und auf Augenhöhe langfristige erfolgreiche Geschäftsbeziehungen aufzubauen.
Da sich der lokale Markt bisher noch nicht ausreichend von der letzten Krise erholt hat, sind aus meiner Sicht Investitionen vorrangig dort interessant, wo es um Erzeugnisse für den EU- Markt oder Drittländer geht. Besonders wenn sich dabei ukrainische Ressourcen, wie z.B. Agrarerzeugnisse, Metall, Holz oder mineralische Rohstoffe mit den günstigen Produktionskosten kombinieren lassen. Interessant ist zu beobachten, dass deutsche Investoren in der Ukraine sowohl in Branchen aktiv sind, die eher von einfacher Handarbeit geprägt sind, als auch im Outsourcing von Business Prozessen und der IT-Branche. Ich gehe davon aus, dass die Ukraine auch in Zukunft aufgrund ihres breiten wirtschaftlichen Hintergrunds für ein weites Spektrum deutscher KMU von Interesse sein wird. Um nur einige zu nennen: Bekleidung, Schuhe, Holzverarbeitung und Möbel, Verarbeitung von Agrarerzeugnissen, Lebensmittel, Metallbearbeitung, Maschinenbau, Automobilzulieferer etc.
Was müssen deutsche KMU besonders beachten, wenn sie sich wirtschaftlich in der Ukraine engagieren möchten?
Die Ukraine ist auf dem systematischen Weg der Annäherung an die Regularien der EU. Noch aber unterscheiden sich viele gesetzliche Regelungen und geschäftliche Gepflogenheiten deutlich von dem, was wir aus Deutschland oder innerhalb der EU kennen. Für Reisen in die Ukraine benötigen EU-Bürger zwar kein Visum mehr, aber einen Reisepass. Vertragliche Regelungen bedürfen der Schriftform, die ukrainische Währung ist nicht frei konvertierbar, und das gesamte rechtliche Umfeld befindet sich in einem Reformprozess. Ukrainische Behörden, besonders der Zoll und das Finanzamt lieben das Papier, und häufig ist die Form wichtiger als der Inhalt. Für deutsche Unternehmen ist das ist häufig gewöhnungsbedürftig, besonders für Mitarbeiter im Vertrieb und Versand. Detailtreue kann hier aber Nerven und Zusatzkosten sparen.
Je intensiver die geplante Form der Zusammenarbeit mit ukrainischen Partnern ist, desto ausführlicher sollte man sich als deutscher Partner mit den ukrainischen Rahmenbedingungen und relevanten Details auseinander setzen. Es macht auch Sinn, sich rechtliche Besonderheiten von den ukrainischen Geschäftspartnern detailliert erklären zu lassen, bei wirklich kritischen Aspekten aber eine unabhängige Meinung einzuholen, es gibt genügend deutschsprachige Berater. Selbst ukrainischen Unternehmern fehlen teilweise die Erfahrungen, oder sie sind nicht immer auf dem aktuellen Informationsstand.
Geschäftsmodelle und Abläufe lassen sich nicht immer 1:1 grenzüberschreitend übertragen. Nicht alles was mit polnischen oder rumänischen Geschäftspartnern möglich ist, geht heute genauso auch schon mit ukrainischen Partnern: die Ukraine ist kein EU-Mitglied, es gibt eine Zollgrenze, und nicht bei allen Erzeugnissen sind die Zölle bereits auf null. Im Bereich von Agrarprodukten und Lebensmitteln gibt es außerdem Quotenregelungen, die möglicherweise berücksichtigt werden müssen.
Im Westen hört man viel von den Problemen der Ukraine im Bereich Korruption. Trotz vielen Verbesserungen in diesem Bereich würde ich deutschen Unternehmen immer empfehlen, ukrainische Partner von Anfang an auf die Bedeutung von Compliance hinzuweisen und im Zweifel lieber auf ein Geschäft zu verzichten.
Gemeinschaftsunternehmen mit ukrainischen Partnern können sinnvoll sein, man sollte aber schon am Anfang überlegen, ob das geplante gemeinsame Geschäft so ausgelegt ist, dass es auch in 5 oder 10 Jahren noch für alle Partner interessant ist. Manchmal ist eine 100% eigene Investition die bessere Lösung. Bei engen Kooperationen, insbesondere aber bei Beteiligungen spielt neben technischem und Produkt- Know-how auch der Transfer von kaufmännischem Know-how eine wichtige Rolle. Es empfiehlt sich, von Anfang absolute Transparenz und Kontrollmechanismen einzuführen, auch oder gerade wenn die ukrainischen Partner oder Angestellten das in dieser Form vorher noch nicht kannten.
Meine Erfahrung ist, dass diejenigen Unternehmen besonders erfolgreich sind, die sich ein Stück weit auf die Ukraine zubewegen und den Aufbau einer geschäftlichen Zusammenarbeit als beiderseitigen Lernprozess betrachten. Gerade bei KMU entwickelt sich dann zwischen den Entscheidungsträgern auf beiden Seiten häufig ein Vertrauensverhältnis, welches über das rein Geschäftliche hinausgeht. Für besonders wichtig halte ich es deshalb, dass man sich als deutscher Unternehmer einen persönlichen Eindruck von der Ukraine und möglichen Geschäftspartnern verschafft, sowohl von den Unternehmen als auch von den Personen. Vor nicht langer Zeit war ich mit dem geschäftsführenden Gesellschafter eines deutschen mittelständischen Elektrounternehmens in 3 Regionen der Ukraine unterwegs, es ging darum potenzielle Kooperationspartner kennen zu lernen, die die ukrainischen Kollegen vorher recherchiert hatten. Der deutsche Unternehmer war zum ersten Mal in der Ukraine. Neben dem überraschend positiven Eindruck den die ausgewählten ukrainischen Unternehmen machten, spürte der deutsche Unternehmer am eigenen Leib auch den häufig weniger guten Zustand der Straßen. Beides sind wichtige Erfahrungen für eine spätere Entscheidungsfindung, die aber nicht vom Schreibtisch in Deutschland aus gemacht werden können.
Viele deutsche KMU sind in der Ukraine bereits sehr erfolgreich aktiv. Nach einem krisenbedingten Rückgang spüre ich im Moment wieder viel Interesse deutscher Unternehmen, sich mit Geschäftsmöglichkeiten in der Ukraine zu beschäftigen. Den deutschen Unternehmern wird nachgesagt, eher konservativ Entscheidungen zu treffen, trotzdem ist die deutsche Wirtschaftscommunity eine der stärksten ausländischen in der Ukraine. Dafür muss es gute Gründe geben.
Sie sind seit 2015 im Europäischen Büro der ukrainischen Industrie- und Handelskammer aktiv. Wie kam es dazu und was machen Sie da konkret?
Die Industrie- und Handelskammer der Ukraine ist die Dachorganisation des ukrainischen Kammersystems, vergleichbar mit dem DIHK in Deutschland. Das ukrainische Kammersystem, welches aus 25 eigenständigen regionalen IHKs besteht, befindet sich, wie das gesamte Land, in einem Prozess der Modernisierung und Reformierung. Um diesen Modernisierungsprozess zu unterstützen, kam ich 2015 im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), vermittelt durch das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) als Berater in das „Europäische Büro“ der IHK der Ukraine in Kiew.
Zu meinen Kernaufgaben gehört es hier, Veränderungen beratend zu begleiten, Know-how zu transferieren und die ukrainischen Kollegen dabei zu unterstützen, neue nachfrageorientierte Dienstleistungen für ukrainische und ausländische Unternehmen aufzubauen. Dabei kommt mir zu Hilfe, dass ich vor meinem Einsatz in der IHK der Ukraine bereits viele Jahre als Berater im Bereich Außenwirtschaft beruflich mit der Ukraine verbunden war, früher allerdings vorrangig im Auftrag deutscher Unternehmen und jetzt als Vertreter der ukrainischen Wirtschaft.
Im Rahmen des „Europäischen Büros“ der IHK der Ukraine beraten und betreuen wir ukrainische Unternehmen die in die EU exportieren wollen, erstellen Marktanalysen und suchen nach Geschäftspartnern. Wir helfen aber auch deutschen und europäischen Unternehmen, die vorhaben, in der Ukraine tätig zu werden. So haben wir vor kurzem für einen mittelständischen deutschen Hersteller von Haushaltsgeräten eine umfassende Standortanalyse durchgeführt, potenzielle ukrainische Zulieferer gefunden und mehrere Fact- Finding- Reisen organisiert und begleitet. Darüber hinaus unterstützt das „Europäische Büro“ die Zusammenarbeit des ukrainischen Kammersystems mit IHKs und anderen Partnerorganisationen in Deutschland und anderen europäischen Staaten.
Mein Tagesgeschäft ist deshalb sehr vielfältig. Neben der individuellen Beratung und Betreuung von Unternehmen, organisiere ich mit meinen Kollegen hier in der Kammer Seminare und Trainings für ukrainische Unternehmen für Exportberater mit Schwerpunkt EU. Als Mitglied eines kleinen internen Trainerteams bilde ich auch selber ukrainische Exportberater aus, die dann landesweit ukrainische KMU bei der Erschließung neuer Märkte unterstützen. Und täglich geht es darum, auf verschiedenen Wegen meine Erfahrungen, meine Arbeitsweise und mein Wissen an die Kollegen hier in der IHK der Ukraine zu vermitteln.
Geschäftspartner in der Ukraine können Firmenkunden der Sparkassen durch die Unterstützung des EuropaService finden. Ferner informiert er über geschäftliche Rahmenbedingungen in dem Land. https://europaservice.dsgv.de
Ralf Lowack berät im Europäischen Büro der IHK der Ukraine unter ralf.lowack@web.de, +380 50 355 7900
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