Kanada bietet attraktive Konditionen und erhebliches Potenzial

Seit gut einem Jahr ist das nordamerikanische Land Partner im Enterprise Europe Network (EEN). Als Mentor für Kanada in diesem Netzwerk, erläutert Benno Weißner von der ZENIT GmbH, die Chancen für deutsche KMU.

Kanada: Attraktive Konditionen, erhebliches Potenzial und großer Nachholbedarf
Im Gespräch mit
Benno Weißner
Berater und Projektleiter bei ZENIT Zentrum für Innovation und Technik in NRW / EEN NRW

Sehr geehrter Herr Weißner, spontan und aus der Ferne betrachtet, fällt vielen Menschen bei Kanada sicherlich Natur und Holzwirtschaft ein. Was hat das Land für kleine und mittlere Unternehmen zu bieten?

Kanada ist ein Land mit erheblichem Wachstumspotenzial in allen Bereichen der Industrie. Und einem großen Nachholbedarf zum Beispiel in der Automobilindustrie, die im Bereich Automatisierung im Vergleich zu europäischen und asiatischen Firmen zurückliegt. Besonders interessant für deutsche Unternehmen sind laut Detlef Engler die Sektoren Bergbau, IKT/KI, Energie/Umwelttechnik, Digitale Medizintechnik, Chemie, Bau, Kfz (autonomous vehicles/electric vehicles), Elektro und Maschinenbau. Engler ist Leitender Beauftragter für Investitionen der kanadischen Botschaft in Berlin und erwartet für Kanada 2021 bzw. 2022 ein reales Wachstum des BIP von 5,3 Prozent bzw. 3,5 Prozent. Ein besonderer Reiz für Unternehmen liege im marginalen effektiven Steuersatz auf neue Unternehmensinvestitionen von nur 13,8 Prozent.

Darüber hinaus gebe es bis Ende 2023 weitere, attraktive Konditionen wie die

  • 100 Prozent Abschreibungen auf neue Maschinen und Ausrüstungen
  • 100 Prozent Abschreibungen auf Investitionen in erneuerbare Technologien und Ausrüstung
  • 100 Prozent Abschreibung auf Software und die
  • Verdreifachung der Abschreibungsraten auf alle anderen Wirtschaftsgüter.

Andreas Weichert, Gesandter-Botschaftsrat, Botschaft von Kanada, warb auf einer Veranstaltung bei der ZENIT GmbH im Frühjahr 2021 für die Zusammenarbeit deutscher und kanadischer Unternehmen: „Kanada und Deutschland verbindet eine starke, für beide Seiten vorteilhafte bilaterale Handels- und Investitionsbeziehung. Mit seiner Expertise in den Bereichen Digitalisierung, KI, Cleantech und Wasserstoff ist Kanada geradezu ein natürlicher Partner für deutsche Unternehmen, die in diesen Bereichen viel Expertise haben“.
Aus unserer Sicht von ZENIT bietet Kanada wegen dieses wirtschaftlichen Umfelds außerdem ein gutes Sprungbrett für den gesamten nordamerikanischen Markt.

Der Start fiel mitten in die Corona-Zeiten. Sicherlich nicht der beste Zeitpunkt, um wirtschaftlichen Austausch über Grenzen hinweg zu intensivieren. Wie haben Sie dies wahrgenommen?

Natürlich ist es in Pandemiezeiten schwierig, grenzüberschreitende Partnerschaften zwischen Unternehmen aufzubauen, wenn man sich nicht persönlich treffen kann. Aber die zunehmend eingesetzten digitalen Kommunikationsangebote haben dazu geführt, dass Angebote rund ums Partnering trotzdem gut angenommen werden. Gerade mit weit entfernten Ländern wie Kanada funktioniert das sehr gut. So haben wir zum Beispiel in diesem Jahr ein deutsch-kanadisches Matchmaking zum Thema Internet of Things, IoT, mit mehr als hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern und Experten durchgeführt und planen  jetzt Folgeveranstaltungen zu spezifischen Themen. Am 19. Oktober geht es zum Beispiel um das Thema Mikrosystemtechnik

Ein Vorteil für einen guten und schnellen Start in der Kooperation mit Kanada war, dass wir schon mehrere Jahre eng mit dem dortigen Konsortialführer, dem German Canadian Center for Innovation and Research (GCCIR), zusammengearbeitet haben. Bei deren Antrag, Partner im Enterprise Europe Network zu werden, konnten wir tatkräftig unterstützen.

Beim Start wurden durch die neuen Partner in Kanada vier Provinzen im Westen des Landes abgedeckt. Sind mittlerweile weitere Gebiete dazu gekommen?

Seit Juni 2020 ist Kanada Partner im Enterprise Europe Network (EEN), dem von der EU initiierten, in gut 60 Staaten aktiven, weltweit größten Internationalisierungsnetzwerk für kleine und mittlere Unternehmen. Das EEN-Konsortium in Kanada besteht aus dem German Canadian Center for Innovation and Research (GCCIR) und der EU Chamber of Commerce in Canada. Gestartet sind sie in West Canada – mit neuen offiziellen und anderen Partnern decken sie mittlerweile quasi ganz Kanada ab. Es fehlen noch ein lokaler Kooperationspartner in Québec und welche in den nördlichen Territorien, aber die bereits eingebundenen Akteure haben Kontakte genug, um bei Bedarf Kooperationen anzustoßen. Das kanadische EEN-Konsortium besteht aus Partnern in British Columbia, Alberta und Ontario und wächst.

Eigentlich möchte Kanada mehr Diversifizierung bei seinen Außenhandelspartnern erreichen. Bislang sind allerdings sehr wenige Profile aus Kanada in die Partnership Opportunities Database eingestellt worden.

Eine Aufgabe des Enterprise Europe Network ist es, internationale Partnerschaften in Business oder Technologietransfer zu organisieren. Das machen wir über verschiedene Instrumente, wie beispielsweise direkte Kontakte über unser sehr lebendiges Netzwerk, Matchmaking-Veranstaltungen und Delegationsreisen oder über die so genannte Partnership Opportunities Datenbase (POD). Dort können Unternehmen kostenlos Such- oder Nachfrageprofile veröffentlichen. Die Profile in der Datenbank sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aller, vom jeweils zuständigen EEN-Netzwerkpartner betreuten, Unternehmen.

Gerne und oft stellen wir über unsere Partnernetzwerke auch auf Zuruf direkte Kontakte her. Dies gilt insbesondere, wenn ein Kunde nur an einem spezifischen Markt Interesse hat, was auch die noch relativ kleine Zahl an Kontakten erklärt.

Mit Hilfe des NRW.Europa-Teams fand zum Beispiel ein kanadischer Sensorentwickler 2021 ein nordrhein-westfälisches Spin-off als Technologiepartner, der an KI-gestützten Systemen zur Deichüberwachung arbeitet. In einem gemeinsamen Feldversuch testen die beiden zurzeit einen in Kanada entwickelten Sensor zur Überwachung der Seismik in Böden“.

Ich denke, das die Anzahl der Profile über die Zeit wachsen wird. Zudem betreut der Partner GCCIR ein Förderprogramm für Alberta, das die technologische Zusammenarbeit zwischen kanadischen und deutschen KMU fördert, so dass es neben dem EEN auch noch andere Kooperationsmöglichkeiten für Unternehmen gibt.

Der Anteil Deutschlands sowohl bei den Hauptlieferländern als auch bei den Hauptabnehmerländern liegen im geringen einstelligen Bereich. Wie erklären Sie sich dies?

Ein großer Teil des kanadischen Handels wird traditionell mit den USA bzw. der NAFTA-Region als direkte Nachbarn sowie China abgewickelt. Deutschland selbst ist trotzdem eines der wichtigsten Handelsziele, was sich über viele Aktivitäten der kanadischen Seite abbilden lässt. Durch CETA ist erwartbar, dass der Anteil in Zukunft weiter wächst.

Bereits heute exportieren rund 10.500 deutsche Unternehmen, von denen 73 Prozent kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind, nach Kanada. Die Exporte in das flächenmäßig riesige Land mit rund 37 Millionen Einwohnern sichern laut Detlef Engler ca. 140.000 Arbeitsplätze in Deutschland. 

Das Handelsabkommen CETA ist seit September 2017 vorläufig in Kraft. Welche Bedeutung hat diese Vorläufigkeit? Woran scheitert bislang das endgültige Inkrafttreten?

CETA  wurde 2016 von der EU und ihren Mitgliedstaaten als gemischtes Abkommen geschlossen und wird seit September 2017 vorläufig angewendet.

Die vollständige Umsetzung wird erst nach der Ratifizierung des Abkommens durch alle Mitgliedstaaten abgeschlossen sein. Erfolgen wird diese gemäß den jeweiligen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ab dem Zeitpunkt des vollständigen Inkrafttretens wird ein neues Investitionsgerichtssystem an die Stelle des gegenwärtigen Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) treten.

Aktuell haben 15 EU-Mitgliedsstaaten CETA ratifiziert. Länder, die bislang noch nicht beigetreten sind, sehen vor allem Bedenken bzgl. des Schutzes bestimmter Branchen oder der Aushebelung von bestimmten gesetzlichen Vorgaben z.B. im Umweltbereich. In Deutschland soll die Ratifikationsgesetzgebung erfolgen, wenn das Bundesverfassungsgericht in den zu CETA anhängigen Verfahren noch offene Rechtsfragen geklärt hat.

Sie sind von Beginn an Mentor für Kanada. Was haben Sie als Mentor in diesem Jahr für Anfragen zu dem Land erhalten?

Wie bereits erwähnt, haben wir im Rahmen von Delegationen bzw. digitalen Netzwerkevents einige gemeinsame Aktivitäten zum Beispiel in den Bereich IKT/KI, Mikrosystemtechnik gestartet. Sofort aktiv werden wir auch, wenn es konkrete Fragen von Unternehmen gibt. Vieles kommt von beiden Seiten des Atlantiks zurzeit aus den Bereichen Umwelttechnik und Medizintechnik. Das Interesse reicht von Fragen z.B. zu Zolldeklaration bis zur Suche nach Vertriebs- oder Forschungspartnern.

Ein schönes Beispiel sind das Fraunhofer Start-up adiutaByte und das kanadische Unternehmen Routeique. Gemeinsam entwickelten die beiden ein Optimierungssystem für das Lager- und Flottenmanagement in der Logistik. Eingesetzt wird es bereits in kanadischen Brauereien.

Wie sind Sie zu Ihrer Funktion als Mentor gekommen?

Ich kenne den kanadischen EEN-Partner GCCIR aus anderen Zusammenhängen schon sehr lange. Letztlich haben wir den kanadischen Partner in Kontakt mit dem EEN gebracht und den Antragsprozess unterstützt.

Da wir schon sehr lange im Enterprise Europe Netzwerk aktiv sind, kenne ich die Strukturen quasi wie meine Westentasche und hoffe, dass die neuen Netzwerkpartner von diesem Knowhow profitieren. Dass wir die Aufgabe als Mentor übernehmen, bot sich deshalb natürlich an.


Speziell in NRW sehe ich für viele der in Kanada relevanten Themen wie beispielsweise die Rohstoffindustrie, IKT/KI, Energie/Umwelttechnik oder auch Produktionstechnik gute Ansatzpunkte für die Kooperation. Und letztlich macht es auch einfach sehr viel Spaß, mit guten, zuverlässigen Partnern zusammenzuarbeiten.


Die ZENIT GmbH in Mülheim an der Ruhr ist Konsortialführer im NRW.Europa-Team, dem EEN-Partner für NRW. Zum Konsortium gehört auch die NRW.Bank. Für Fragen: bw@zenit.de

Kurzprofile kanadischer Unternehmen, die Geschäftspartner in Deutschland suchen, finden Sie beim EuropaService der Sparkassen-Finanzgruppe in der Rubrik Eurokontakte. Auch die aktive Geschäftspartnersuche ist in Kanada möglich.


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Iris Hemker
Länderinfos, Kooperationsservice


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