Geduld ist das Zauberwort in Japan
Gut 9.100 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Deutschland und Japan. Dies entspricht etwa 11 Stunden Flug. Wie das Enterprise Europe Network (EEN) und das EU-Japan-Zentrum europäische und japanische Unternehmen trotz der Kilometer, Kultur- und Zeitunterschiede erfolgreich zusammenbringt, erläutert Alessandro Perna, Manager für Informationsdienste beim EU-Japan-Zentrum in Brüssel.

Das Internet macht es möglich: Durch den gemeinsamen virtuellen Marktplatz im EEN, der Partnership Opportunity Database, sind deutsche/europäische und japanische Unternehmen nur einen Klick weit voneinander entfernt. Derzeit präsentieren sich dort mehr als 20 japanische Unternehmen.

Ja, die Datenbank ermöglicht erste Kontakte vom Schreibtisch aus. Wir nutzen sie, um sowohl unsere Kunden in der EU als auch EU-KMU in Japan zu fördern. Hiermit machen wir gute Erfahrungen. Um die Verbreitung innerhalb unseres Netzwerks zu erleichtern (E-Newsletter, gezielte E-Mails, während Messen ...), übersetzen wir die EU-Profile teilweise ins Japanische. Ein standardisiertes Format erleichtert hierbei die Werbung und sorgt für klare Inhalte.
Können Sie sich an einen besonderen Fall erinnern, bei dem Sie ein japanisches Unternehmen mit einem deutschen zusammengebracht haben?
Der jüngste deutsche Fall, den wir in unseren Erfolgsgeschichten veröffentlicht haben, ist ein Biotech-Unternehmen, das Produkte für die Life-Science-Forschung herstellt. Das Unternehmen nahm an einer unserer Biotech-Missionen nach Japan teil und konnte auf einer thematischen Messe in Tokio ausstellen. Die Mission ermöglichte gezielte persönliche Treffen mit Vertretern japanischer Distributoren, mit denen schließlich eine Vereinbarung unterzeichnet wurde. (https://www.eu-japan.eu/eubusinessinjapan/library/publication/case-study-iba-lifesciences)
Bei Japan denken viele sofort Toyota und Sony. Beim EEN geht es jedoch um die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen. Wie hoch ist deren Marktanteil in Japan?
Die lokalen KMU machen 99,7 Prozent aller Unternehmen in Japan aus und beschäftigen etwa 70 Prozent der japanischen Erwerbsbevölkerung. KMU erwirtschaften außerdem 56 Prozent des japanischen BIP. So die neuesten verfügbaren Daten der japanischen Behörde für kleine und mittlere Unternehmen aus dem Jahr 2021 (Quelle: Weißbuch 2025).
Allerdings sind solche Daten mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten. Die Definition von KMU in Japan unterscheidet sich geringfügig von der in der EU, da sie auf einer höheren Mitarbeiterzahl (bis zu 300 gegenüber 250) und dem Unternehmenskapital statt auf dem Umsatz basiert. Die Kapitalgrenze unterscheidet sich auch je nach Tätigkeitsbereich: Einzelhandel, Produktion, Dienstleistungen .
Interessant zu erwähnen ist, dass japanische KMU in der Vergangenheit im Wesentlichen darauf ausgerichtet waren, große Konzerne zu beliefern, und kaum oder gar keine direkte Erfahrung im Export hatten. In den vergangenen Jahrzehnten, die von wirtschaftlichen Schwierigkeiten geprägt waren, begannen japanische KMU, sich ausländischen Märkten zuzuwenden, da sich herausstellte, dass es nicht ausreichte, sich zu sehr auf ihre Großkunden zu verlassen, um zu überleben. Der Anteil der direkt exportierenden KMU stieg innerhalb von 30 Jahren von 16 auf 21 Prozent, während der Anteil der direkt exportierenden Großunternehmen im gleichen Zeitraum mit rund 29 Prozent unverändert blieb. Diese „Newcomer” stehen vor vielen Herausforderungen: unbekannte Märkte, Sprachbarrieren... Hier kommt das EU-Japan-Zentrum, EEN Japan, ins Spiel, um ihnen die Unterstützung zu bieten, die solche Unternehmen benötigen.
Gibt es Branchen, in denen Sie gute Chancen für deutsche oder europäische Unternehmen sehen, in Japan wirtschaftlich aktiv zu werden?

Die Lebensmittelindustrie, liegt in Japan immer im Trend. Darüber hinaus konzentriert sich das EEN Japan auf ganz bestimmte Hightech-Sektoren, für die wir verschiedene jährliche Geschäftsreisen organisieren, bei denen EU-KMU unter der Flagge der EU auf führenden Messen ausstellen können. Wir passen unsere Unternehmentreffen und Unterstützungsmaßnahmen in der Regel an das an, was wir vor Ort beobachten und worauf sich die EU- und japanischen Behörden bei ihren regelmäßigen Treffen konzentrieren, wenn sie ihre Bereitschaft zur Stärkung der Zusammenarbeit in diesem oder jenem spezifischen Sektor bekunden. Derzeit organisiert EEN Japan Treffen für KMU, die in den Bereichen rote Biotechnologie, grüne Industrie, Raumfahrt, IKT/Digital, intelligente Fertigung und Robotik sowie Verteidigung tätig sind, sowie eine allgemeinere Innovationsmission.
Im Laufe der Zeit wurden diese Missionen sogar zur Hauptquelle für die Erfolgsgeschichten des Zentrums. Die physische Präsenz im Zielland ist in der Regel eine gute Investition, insbesondere wenn sie von öffentlichen Stellen unterstützt wird. Von allen Missionen, die wir organisieren, war diejenige, die sich seit 2013 auf den roten Biotech-Sektor konzentriert, die erfolgreichste. Weitere Informationen zu den laufenden Missionen finden Sie unter: https://www.eu-japan.eu/business-missions-japan
Japan liegt fernab der EU. Wo sehen Sie die größten kulturellen Unterschiede zwischen den Geschäftspraktiken deutscher/europäischer und japanischer Unternehmen?
Es gibt viele Aspekte: die Art der Kommunikation, die Wahrnehmung dessen, was geschieht... Viele Probleme im Umgang mit einer fremden Kultur sind im Wesentlichen auf Missverständnisse zurückzuführen. Der Versuch, eine Beziehung zu einem Partner mit einem völlig anderen kulturellen Hintergrund aufzubauen, ohne sich die Zeit zu nehmen, dessen Besonderheiten zu verstehen, und mit einer Haltung à la „Ich mache es wie immer“ / „Ich setze meinen eigenen Weg durch“, ist wahrscheinlich nicht so erfolgreich. Dies gilt umso mehr für die japanische Geschäftskultur, die tendenziell konservativ ist, langsam arbeitet und Konflikte/Risiken im Großen und Ganzen scheut.
Beispielsweise könnte ein direkter Ansatz mit ausschließlich „Stichpunkten“ in einer Kultur, die detaillierte Informationen bevorzugt, bevor sie überhaupt an Entscheidungen denkt, auf wenig Begeisterung stoßen. Vergleichen Sie einfach mal eine westliche PowerPoint-Präsentation mit einer japanischen – der Unterschied wird Sie überraschen. Sie können auch japanische Fernsehwerbung mit der in europäischen Ländern vergleichen.
In der Vergangenheit gab es auch Beispiele, bei denen EU-EEN-Partner und KMU uns kontaktierten, weil ihre Kunden oder KMU nach einem Treffen mit einem japanischen Vertreter im Rahmen einer Vermittlungs-Veranstaltung meinten eine Vereinbarung getroffen zu haben. Als wir dann die japanische Seite um Feedback baten, erhielten wir folgende Antwort: „Ja, wir haben mit dem EU-Unternehmen gesprochen, aber wir haben beschlossen, die Verhandlungen nicht fortzusetzen, da wir nicht mehr interessiert sind.“ Die Wahrnehmung der Realität kann sehr schwierig sein. Um höflich zu bleiben, wird ein Japaner niemals „nein“ sagen oder sofort etwas zustimmen, bevor er die Angelegenheit nicht intern ausführlich besprochen hat. Manchmal „stellen sie sich tot“, nachdem sie einige E-Mails ausgetauscht haben. Aus Sicht eines Ausländers kann dies als „unhöflich“ empfunden werden, aus japanischer Sicht ist es jedoch normal.
Wie wirken sich diese Unterschiede auf den Aufbau von Geschäftsbeziehungen aus?
Ausländer, die sich Japan nähern, müssen die wahre Bedeutung des Wortes „Geduld“ lernen und eine Strategie verfolgen, die auf einem langfristigen Ansatz basiert. Der Anfang kann einige Zeit dauern, aber sobald alle internen Entscheidungsprozesse der japanischen Seite abgeschlossen sind, wird sich der Prozess beschleunigen. Dies kann Jahre dauern. Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu Japanern braucht Zeit. Das Verständnis des Verhaltens und der Trends japanischer Verbraucher ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung.
Ich lade Sie ein, sich im Internet über die Erfahrungen des französischen Einzelhandels- und Großhandelskonzerns Carrefour in Japan zu informieren. Das Unternehmen betrat 1999 den lokalen Markt, eröffnete Ende 2000 seine erste Filiale und verließ das Land 2003, nachdem es die lokalen Kunden, die Kultur und die Geschäftsgepflogenheiten nicht verstanden und alle seine Lieferanten und Kunden verprellt hatte.
Mittlerweile stellen aber aufgrund des Arbeitskräftemangels in Japan viele japanische Unternehmen zunehmend ausländische Mitarbeiter in ihren Export-/Kommunikationsabteilungen ein. Dies ist ein neuer Trend, der sicherlich zu einer reibungsloseren Kommunikation mit ausländischen Partnern in der Anfangsphase beitragen kann.
Als Mitarbeiter des EU-Japan-Zentrums sitzen Sie in Brüssel und nicht im Land der aufgehenden Sonne. Wir funktioniert dies?
Da das EU-Japan Centre eine doppelte Einrichtung ist, die von der Europäischen Union und den japanischen Behörden gemeinsam finanziert und verwaltet wird, haben wir zwei Büros: den Hauptsitz in Tokio und eine Niederlassung in Brüssel. Das Brüsseler Büro, in dem ich tätig bin, fungiert als Hauptansprechpartner für EU-Partner und KMU. Wir bieten Dienstleistungen der ersten Instanz an: Informationen über Japan, Informationen über unsere Aktivitäten, Ausbau unseres Netzwerks in der EU usw. So können wir Anfragen fast sofort beantworten.
Die Zentrale in Tokio betreut unsere japanischen Kunden und Partner im Land, darunter Vertreter der EU und der Mitgliedstaaten. Sie kümmert sich auch um die logistische Seite unserer Aktivitäten, wie z. B. Geschäftsreisen, und baut unser Netzwerk vor Ort aus.
Welche Fragen stellen deutsche/europäische Unternehmen Ihnen in Bezug auf Japan? Gibt es Themen, die von besonderem Interesse sind?
Jedes Jahr erhält unser Helpdesk viele Fragen, die von „Wie kann ich meine Lebensmittel nach Japan exportieren?“ bis zu „Welche ISO-äquivalenten oder erforderlichen Zertifizierungen benötige ich, um meine elektronischen Geräte nach Japan zu exportieren?“ reichen. Lebensmittel und Vorschriften sind in der Regel die Hauptthemen, zu denen Anfragen eingehen.
Neben der direkten Beantwortung von Anfragen hat das EU-Japan Centre 2014 auch sein Portal „EU Business in Japan“ ins Leben gerufen. Diese Unterstützung zielt darauf ab, alle Online-Informationen zu identifizieren und zu sammeln, die für EU-Unternehmen, die ihre Geschäfte mit Japan ausbauen möchten, von Nutzen sein könnten. Wir decken mittlerweile rund 80 Industriezweige, verschiedene Vorschriften und Aspekte der Geschäftskultur ab. Gleichzeitig arbeiten wir mit einer Vielzahl Externer, um jährlich mindestens ein Dutzend Geschäftsberichte und Webinare zu verschiedenen Themen und Branchen zu veröffentlichen.
Das EU-Japan-Zentrum ist seit dem Jahr 2011 Teil des Enterprise Europe Netzwerk. Wie kam es dazu?
Das EU-Japan Zentrum ist eine einzigartige Einrichtung, ein 1987 gegründetes Joint Venture zwischen der Europäischen Union und den japanischen Behörden. Daher war es nur natürlich, dass wir dem EEN beitraten, als sich im Jahr 2010 die Gelegenheit dazu bot, und im Januar des folgenden Jahres offiziell Mitglied wurden.
Natürlich waren die Anfänge aufgrund der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophen, die Japan im März 2011 heimgesucht hatten, recht komplex, was den Start der EEN-Förderung in diesem Land zu einer ziemlichen Herausforderung machte. Die folgenden Jahre waren ein langer Weg, um ein starkes Netzwerk lokaler Partner und Kunden aufzubauen und den Bekanntheitsgrad (und das Vertrauen) des EEN in Japan zu steigern.
Neben der Mitgliedschaft im EEN und die Vertretung Japans arbeiten wir daran weitere Verbindungen aufzubauen und andere Verbände auf EU-Ebene sowie Einrichtungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen, die nicht Teil des EEN sind. Ziel des EU-Japan-Zentrums ist es, alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um das Bewusstsein für Japan als potenziellen Zielmarkt für EU-Unternehmen zu schärfen und Synergien zwischen EU- und Mitgliedstaaten-Organisationen zu schaffen, die an Japan interessiert sind.
Wie reagieren japanische Unternehmen, wenn sie vom EEN und der Möglichkeit, neue Geschäftspartner zu finden, hören?
„Wer sind Sie? Was ist das?“ Sind häufig die ersten Reaktionen. Wie bereits erwähnt, sind japanische KMU gerade dabei, „die Welt zu entdecken“, und wissen nicht immer, dass sie von zahlreichen öffentlichen Fördermaßnahmen profitieren können. Man muss auch die geografische Lage Japans berücksichtigen: Die EU und Japan sind ziemlich weit voneinander entfernt, und wenn ein Unternehmen beginnt, sich zu internationalisieren, sind die ersten Ziele die benachbarten Märkte. Auf der einen Seite der EU-Binnenmarkt, auf der anderen Seite die asiatischen Länder. Für viele japanische KMU kommt die EU erst nach ihren asiatischen Nachbarn und den USA, mit denen Japan einige historische Aspekte teilt, die die beiden Volkswirtschaften verbinden.
Das 2019 zwischen der EU und Japan geschlossene Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, mit dem 99 Prozent der Zölle abgeschafft wurden, trug dazu bei, die Ausrichtung der Unternehmen neu zu orientieren und den Handel zwischen den beiden Regionen zu stärken. Das EEN Japan hat sein Netzwerk Schritt für Schritt ausgebaut und Beziehungen zu japanischen Organisationen, regionalen Behörden und lokalen Handelskammern aufgebaut und gepflegt, um unsere erwarteten Endnutzer zu erreichen. Japan ist ein Land, in dem Vertrauen unerlässlich ist, und dieses kann nur mit der Zeit aufgebaut werden.
Sobald das japanische Unternehmen, das sich an uns wendet, unsere Dienstleistungen versteht und erkennt, dass diese auch kostenlos sind, wird es sich noch intensiver um einen EU-Partner bemühen.
Sie sind kein Japaner, arbeiten aber für das EEN Japan. Würden Sie sagen, dass Sie eher eine europäische oder eine japanische Perspektive auf die Arbeit von EEN haben? Wie äußert sich das?
Ich arbeite seit mehr als 15 Jahren für das EU-Japan-Zentrum und hatte vor langer Zeit die Gelegenheit, in Japan zu leben, sodass ich einige Kenntnisse über die Besonderheiten der japanischen Kultur habe. Die Belegschaft des EU-Japan-Zentrums setzt sich zu gleichen Teilen aus japanischen Kollegen und EU-Kolleginnen und -Kollegen verschiedener Nationalitäten zusammen. Das macht die interne Kommunikation sehr interessant, da wir mit unterschiedlichen Sichtweisen und Ansätzen spielen, um dasselbe Ziel zu erreichen: EU- und japanischen KMU dabei zu helfen, gemeinsam Geschäfte zu machen und die Beziehungen zwischen den beiden Regionen zu stärken. Manchmal müssen wir mit westlicher Mentalität etwas schneller vorangehen, manchmal verlangsamen wir das Tempo mit einem eher japanischen Ansatz.
Das EU-Japan-Zentrum verwaltet eine Vielzahl von Projekten. Unternehmen, die sich für Japan interessieren, können sich über das Kontaktformular an das EU-Japan-Zentrum wenden und sich über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden halten lassen: https://www.eu-japan.eu/be-informed
Weitere Fallstudien und Beispiele für EU-KMU, die in Japan erfolgreich sind, finden Sie unter: https://www.eu-japan.eu/eubusinessinjapan/procedures/import-export/case-studies-and-success-stories
Japanische Unternehmen, die auf der Suche nach Kontakten zu deutschen Unternehmen sind, entdecken Sie in den Eurokontakten des EuropaService.
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