Österreich: Höflichkeit ist Trumpf

25.09.2013

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind preußische Tugenden, die Österreicher bei Ihren Geschäftspartnern aus Deutschland sehr schätzen. Die deutsche Direktheit, sollte dagegen mit Höflichkeit, einer Prise Humor und Selbstironie, etwas weichgespült werden, rät Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich, deutschen Firmen, die sich in Österreich engagieren wollen. Welche Standortvorteile der österreichische Markt zu bieten hat und wie sich die Wirtschaftsbeziehungen nach der Wahl in Österreich zwischen beiden Ländern entwickeln werden, erläutert der Hauptgeschäftsführer nachfolgend.  

Im Gespräch mit
Thomas Gindele
Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich

Sehr geehrter Herr Gindele, Ende September sind Parlamentswahlen in Österreich. Erwarten Sie hiervon Auswirkungen auf die Wirtschaft?

Richtig, am 29. September sind Nationalratswahlen in Österreich. Derzeit regiert die Große Koalition mit SPÖ und ÖVP. Fällt die Wahl den aktuellen Umfragen gemäß aus, wird dies auch in den kommenden fünf Jahren der Fall sein. Bei einer Fortführung werden sicherlich die nationalen Themen Privatisierung, Arbeitszeit-Flexibilisierung sowie Steuerreform im Zentrum künftiger Diskussionen stehen.

Auf internationalem Terrain erwarte ich aufgrund der guten Entwicklungen eine Fortführung der bisherigen Außenhandelspolitik. Das österreichische Außenwirtschaftsbild „Globalisierung gestalten – Erfolg durch Offenheit und Innovation" bringt ein Bekenntnis zum aktiven Umgang mit Chancen und Herausforderungen der fortschreitenden Internationalisierung zum Ausdruck. Das ist genau der richtige Weg für Österreich, um sich im internationalen Umfeld zu behaupten.

Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass sich die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Deutschland und Österreich in den kommenden Jahren weiter intensivieren wird und beide Länder dabei voneinander profitieren. Daher ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam für bestmögliche Rahmenbedingungen, insbesondere beim Wirtschafts- und Gewerberecht, einsetzen. 

Die deutsch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen sind gekennzeichnet durch intensiven Ex/Import und Direktinvestitionen. Wo sehen Sie künftig die größten Chancen für deutsche KMU, um in Österreich erfolgreich zu sein?

Der mit Abstand wichtigste Handelspartner für Österreich ist Deutschland. Die wichtigsten Exportgüter sind dabei: Straßenfahrzeuge, elektrische Maschinen, Eisen, Stahl und Metallwaren. Zu den wichtigsten Importgütern zählen: Straßenfahrzeuge, Maschinen, Erdöl und Erdölerzeugnisse. Rund 90 Milliarden Euro beträgt das Außenhandelsvolumen zwischen Österreich und Deutschland. Und die Wirtschaften wachsen weiter zusammen.

Gerade in den vergangenen Monaten erreichten uns viele Anfragen aus Deutschland zur Unternehmensgründung in Österreich. Eine der Stärken des Wirtschaftsstandorts Österreich ist sein unternehmerfreundliches Steuersystem. Gewinne werden dabei mit dem einheitlichen Steuersatz von 25% besteuert - damit kann Österreich auch im Vergleich mit den neuen EU-Mitgliedsländern ausgezeichnet punkten. Belastungen wie Gewerbesteuer oder Vermögensteuer, die in anderen Ländern durchaus üblich sind, existieren in Österreich nicht.

Die österreichische Unternehmenslandschaft ist geprägt von innovativen Klein- und Mittelbetrieben. Nur etwa 190 Unternehmen beschäftigen mehr als 1.000 Mitarbeiter. Auch wenn viele bei Österreich zuerst an Tourismus denken, ist das Land ein klassischer Industriestaat. Denn obwohl der Dienstleistungsbereich mit knapp 69% den größten Anteil zur Bruttowertschöpfung beträgt, sind die rund 30% des sekundären Sektors doch von wesentlicher Bedeutung. Wichtigste Industriezweige sind die chemische und automotive Produktion, Maschinenbau, Elektronik, Life Sciences und Umwelttechnologie.

Sie sind zwar eher für die Promotion des österreichischen Standorts zuständig, aber gibt es auch Herausforderungen von denen Sie im alltäglichen Wirtschaftsleben der Unternehmen hören?

Für viele deutsche Unternehmen ist der österreichische Markt der erste Schritt ins Auslandgeschäft. Und das zu Recht. Österreich ist ein zuverlässiger Wirtschaftspartner, investiert in Infrastruktur, pflegt eine enge Verbindung zu Deutschland und man spricht die gleiche Sprache. Trotz des Nahverhältnisses ist und bleibt Österreich jedoch Ausland und das dürfen deutsche Unternehmer nicht vergessen.

Als Deutsche Handelskammer in Österreich ist es unsere Aufgabe, deutsche Unternehmen auf dem österreichischen Markt zu unterstützen. Allein im vergangenen Jahr informierten wir mehr als 5.000 Unternehmer bezüglich Fragen zum deutsch-österreichischen Handels- und Geschäftsverkehr. Schwerpunkte sind hierbei unter anderem Arbeitsrecht und Gewerberecht. Gilt in Deutschland zum Beispiel der Grundsatz der Gewerbefreiheit, wird in Österreich zwischen freiem und reglementiertem Gewerbe unterschieden. Viele Unternehmer informieren sich im Vorfeld nicht umfassend genug.

Österreich hat die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU mit 4,6 Prozent. Finden ansiedlungswillige Unternehmen da noch genügend qualifizierte Arbeitskräfte?

Tatsächlich stellt die Fachkräftesituation auch die österreichische Politik und Wirtschaft vor große Herausforderungen. In Österreich klagt jedes fünfte Kleinunternehmen und jedes zweite Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern darüber, dass bestimmte fachspezifische Positionen nicht besetzt werden können und so spitzt sich der Wettbewerb um die besten Hände und Köpfe auch hierzulande zu. Besonders betroffen sind hierbei das Hotel- und Gastgewerbe, der Handel und das Baugewerbe.

Österreich verfügt jedoch über großes Potenzial, diesem Mangel rasch und wirkungsvoll entgegenzutreten. Von besonderer Bedeutung ist hierbei ein effizientes Demographie-Management, wie etwa die verstärkte Einbindung von Frauen, Älteren und Migranten. Erste Schritte, wie beispielsweise der Ausbau von 45.000 zusätzlichen Kinderbetreuungsplätzen oder die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Bürger aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten befinden sich in der finalen Planungsphase bzw. wurden bereits umgesetzt.

Die derzeitige Lage führt jedoch auch zu neuen Strukturen in den Personalabteilungen der Unternehmen. Da das Angebot sinkt, sind Unternehmen heute gezwungen, den Wünschen der Bewerber entgegen zu kommen. Für Bewerber spielen Unternehmenskultur, Karrieremöglichkeiten und das Image des Unternehmens eine entscheidende Rolle. Um die besten Fachkräfte zu gewinnen, ist es wichtig, Employer Branding als Teil der Gesamtstrategie zu verstehen.

Ich glaube, dass Österreich gestärkt aus der momentanen Situation hervortreten wird und als Wirtschaftsstandort am Ende an Attraktivität gewinnt.  

Im Juli war in den Medien zu lesen, dass Österreich Schlusslicht in Europa ist, was die Ausweisung spezieller Schutzräume für Tiere und Pflanzen angeht. Bedeutet die künftig verstärkte Ausweisung dieser Schutzräume, dass dann weniger Raum für die Ansiedlung von Unternehmen zur Verfügung steht?

Das aktuelle Problem liegt darin, dass für potenzielle Natura 2000-Gebiete jegliche Eingriffe, wie etwa Naturschutz-, Wasserrechts- oder Baubescheide rechtswidrig sind und nicht absehbar ist, wann ein endgültiger Beschluss erfolgt. Dies birgt viel Konfliktpotenzial. Besonders heikel ist dabei die Lage in Tirol, wo ein Kraftwerksprojekt an der Isel und ein Skiliftprojekt am Piz Val Gronda betroffen sind. Hierbei handelt es sich jedoch um regionalwirtschaftliche Auswirkungen auf Einzelprojekte. Bei den vorgeschlagenen Gebieten handelt es sich zudem oft um dezentrale Regionen in Österreich, die bei der Standortwahl zunächst im Allgemeinen eine untergeordnete Rolle spielen. Ich sehe daher hier keine Beeinträchtigung für deutsche Unternehmer.  

Gibt es spezielle Dos/Don’ts, die deutsche Firmen im österreichischen Geschäftsleben unbedingt beachten sollten?

Kultur und Kommunikation sind zwei ganz wichtige Komponenten, die ein hohes Maß an Feinfühligkeit verlangen. Der Österreicher, ein charmanter Plauderer, für den Höflichkeit, Etikette und Stil unabdingbar sind, fühlt sich von der deutschen Direktheit beispielsweise regelmäßig überrumpelt. Dabei erwarten Österreicher von ihren Geschäftspartnern aus Deutschland durchaus preußische Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder gut strukturierte Verhandlungen und Präsentationen. Doch gerne im Umgang ein bisschen weich gespült durch ein paar Prisen Humor und einen Hauch (Selbst-) Ironie. Und nach acht Jahren in Österreich erlaube ich mir zudem noch einen Hinweis: sollte das Thema Fußball aufkommen, ist vornehme Zurückhaltung geboten.


Über ausgewählte Investitionsbedingungen in Österreich informiert der EuropaService in seiner Länderinformation Österreich.

Kurzinserate österreichischer Unternehmen, die auf der Suche nach deutschen Geschäftspartnern sind, finden sich in den Kurzprofilen aus Österreich.

Die Deutsche Handelskammer in Österreich unterstützt den Aufbau bilateraler Geschäftsbeziehungen und ist Anlaufstelle bei Fragen zum deutsch-österreichischen Handels- und Geschäftsverkehr. Mehr Informationen finden sich unter https://oesterreich.ahk.de/


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Iris Hemker
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